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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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komplexen Organismus Schäfer waren. Dass das Nichtverstehen schon damit begann, dass sich sein Chef insgesamt an keine Ordnung hielt, die seinem Assistenten vertraut war. In Momenten hohen Selbstwertgefühls sagte Bergmann schlicht Glück dazu. An anderen Tagen erzeugte die Überlegenheit des Majors nur Frust. Freilich, Schäfer brauchte seinen Assistenten mehr, als diesem auch nur annähernd bewusst war. Als fixe Koordinate, als Bezugspunkt, ohne den er bei schwierigen Fällen an die Ränder seines Kosmos abtrieb, wo Ermittlungsfortschritte unmöglich wären. Im Sinne moderner Mitarbeitermotivation wäre es wohl klug gewesen, den Assistenten ab und zu beiseitezunehmen und ihm seine Rolle sowie seinen Wert im Universum Schäfer bewusst zu machen. Doch Schäfer verhielt sich eher wie ein nachlässig gewordener Ehemann: Er nahm die Anwesenheit seines Assistenten als selbstverständlich hin, und wo die Zuneigung, die er für Bergmann empfand, diesen, hätte er sie ihm gezeigt, stolz bis verlegen gemacht hätte, war sie für Schäfer eine Entschuldigung, um seine beizeiten üble Laune unbeherrscht an Bergmann auszulassen. Und die fast zärtlichen Blicke, mit denen er seinen Assistenten manchmal bedachte, oder seine Hand auf dessen Unterarm interpretierte Bergmann nie zu seinen Gunsten, sondern nur als weiteren Beleg dafür, es mit einem Verrückten zu tun zu haben, dessen mysteriöse Einsicht in die Gehirne und Vorgehensweisen der Verbrecher der einzige Grund war, warum er nicht wild gestikulierend und irre Selbstgespräche führend den Passanten auf der Kärntner Straße Angst einjagte. Und so war es auch nicht weiter außergewöhnlich, dass Bergmann wieder einmal an Versetzung dachte, nachdem Schäfer sowohl seine Fragen als auch das Eintreten der Sekretärin von Oberst Kamp ignoriert hatte und weiterhin leise murmelnd seine Münzen hin und her schob. Erst beim dritten, schon hustenartigen Räuspern der Frau hob Schäfer den Kopf und schenkte ihr ein so offenes wie herzliches Lächeln.
    „Welch angenehmste Unterbrechung unserer Tätigkeit … was können wir für Sie tun?“
    Die Sekretärin nahm den übertrieben freundlichen Empfang so gelassen hin wie das unverständliche Knurren, das sie genauso häufig zu hören bekam, schenkte Bergmann einen mitleidigen Blick und gab Schäfer Bescheid, dass der Chef ihn zu sprechen wünschte.
    Schäfer erhob sich ruckartig aus seinem Sessel, gab seinem Assistenten mit einem auf ihn gerichteten Zeigefinger etwas zu verstehen, das dieser nicht verstand, und verschwand aus dem Raum.
    Als er Kamps Büro betrat, stand der Oberst – wie zumeist in den letzten Monaten, wenn Schäfer ihn aufsuchte – mit dem Rücken zu ihm, die Hände hinten verschränkt, und schaute auf den Stadtpark hinaus. Er ließ Schäfer eine halbe Minute im Raum stehen, bevor er sich rasch umdrehte, die Arme hob, als würde er einen alten Freund begrüßen, und auf ihn zutrat.
    „Schäfer, mein bestes Pferd im Stall, haha. Setzen Sie sich doch bitte!“, tönte der Oberst gönnerhaft, trat hinter seinen Schreibtisch und ließ sich in den handgefertigten Ziegenledersessel fallen.
    Schäfer schaute sich nach gebrauchten Cognacschwenkern um. Als er keinen erblickte, beschlich ihn der Verdacht, dass Kamp ihn wieder einmal mit einer Aufgabe betrauen wollte, die aufgrund des großen öffentlichen Interesses und des dementsprechend hohen Drucks, der auf ihm, dem Oberst, und damit auch auf der gesamten Dienststelle lastete … nun, wahrscheinlich hatte ein hochrangiger Freund bei ihm angerufen.
    „Sie sind doch aus diesem Ort in Tirol, sind Sie nicht?“
    Schäfer nickte mit dem Kopf, „Kitzbühel“, ergänzte er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen wegen des jüngsten Spleens von Kamp, jeder Frage eine englische Endung anzuhängen – eine amüsante Folge des freundschaftlichen Besuchs, den er vor kurzem seinem Pendant bei Scotland Yard abgestattet hatte.
    „Folgendes“, fuhr der Oberst lautstark fort, schwang sich aus seinem Sessel und ging zurück zur Glasfassade, um seinen Blick abermals über den Stadtpark, den Kinderspielplatz und die, wie Schäfer vermutete, zahlreichen Jungmütter schweifen zu lassen.
    „Mord!“, herrschte der Oberst die Scheibe an, bevor er sich ruckartig zu Schäfer umdrehte und wiederholte: „Mord. Mord in Tirol. Das geht doch nicht!“
    Kamp machte eine bedeutsame Pause, die Schäfer ohne weitere Erklärungen klarmachen sollte, was ihn in nächster Zeit erwartete.
    „Sie

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