Schafkopf

zufriedengeben. Der Rest sind Worte, Logik, Kombiniererei. Das hilft uns, bringt uns auch voran, Sie sehen es ja am Mordfall. Im Grunde aber ist es nicht so wichtig.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    Sie gaben sich die Hand. Dr. Hartung schwang sich auf sein Rad, klickte die Füße ein und verschwand auf dem Weg im Wald. Behütuns kratzte Vogelscheiße von der Windschutzscheibe.

Ich spiele nicht, was da ist. Ich spiele, was nicht da ist.
Miles Davis
21. Kapitel
    Behütuns fuhr nach Nürnberg ins Büro. Ins Präsidium. Niemand war da, die machten alle auf Wochenende. Er verkniff sich seine Gedanken, ließ das Rollo hinunter, weil die weißen Wände blendeten, sah die Papiere durch.
    Ein Fax der Schweizer. Hatten auf der Ribia, einer benachbarten, unbewirtschafteten Hütte, abseits unter einem Stein ein Papiertaschentuch gefunden. Blutig. Sah schon älter aus.
    Hatten innen, an die Wand gelehnt, einen Holzstock gefunden mit einem Aststück. Blutspuren. Hautpartikel.
    Hatten in der Abfalltonne auf der Alzasca-Hütte ziemlich weit unten ebenfalls ein Papiertaschentuch gefunden. Auch Blut daran. Das alles war nicht erwähnenswert, erst das:
    Sie hatten das Blut untersucht: Identisch.
    Das musste nichts heißen, zumal das Tuch auf der Alzasca in der Tonne ganz weit unten und die Mülleimer in der Hütte noch nicht geleert waren. Trotzdem wollten sie die Meldung weitergeben. Genauere Analyseergebnisse würden folgen.
    Gründliche Arbeit, dachte Friedo Behütuns. Aber die Randbedingungen sprachen erst einmal nicht für einen heißen Zusammenhang. Trotzdem.
    Eine Liste der SUVs mit N, mit P und einer 9 im Nummernschild. Im Ganzen 57 Fahrzeuge.
    Eine zweite Liste aller weiteren zugelassenen Fahrzeuge analog mit N, P und 9. Im Ganzen 294 Fahrzeuge.
    Behütuns sah beide Listen durch und kreuzte verschiedene Halter an. Sie sollten zuerst vorgenommen werden. Seine Kriterien dafür: Selbstständige, soweit das ersichtlich war, und alles, was einen Titel hatte. Dr., Prof., Dipl.-Ing., Dipl.
    Phys., Dipl. sonst was. Grundlage dafür war die Aussage des Psychologen bezüglich der vermeintlichen Intelligenz des Täters. Außer den eingetragenen Titeln hatte er erst einmal keine Kriterien. Im Einzelnen wäre das noch zu überprüfen. Den Namen »Plötz« strich er durch, da verließ er sich auf seine Leute. Der war nicht intelligent genug, er erschien ihm zu dumm. Hatte auch keinen Titel. Dahinter in Klammern: »Oder vielleicht doch?« Sicher ist sicher. Und es fiel ihm ein: In dem Notizbuch dieses Hajo Schrader hatte doch gestanden »Die sich mit Dr. vorstellen, sind alle irgendwie komisch« oder so. Oder »haben es nötig«, wie war die genaue Formulierung? Vielleicht hatte das ja auch irgendwie Bedeutung? Und er schrieb noch auf die Liste: »Aufzeichnungen H. S. nachlesen!« Könnte er eigentlich gleich tun. Wo waren die? Er hatte keine Ahnung. Dazu bräuchte er Frau Klaus.
    Irgendwie hatte er nicht den Eindruck, dass das sinnvoll war, was er machte. Aber er brauchte das Gefühl, irgendetwas zu tun, irgendwie vorwärts zu kommen. Auch wenn das Ergebnis Stillstand war. Und oftmals Selbsttäuschung. Das musste er noch lernen: auch einmal auszusetzen.
    Er schrieb eine Anweisung: Namensliste engagierter Atomkraftgegner, wenn möglich nach Intensität sortiert. Und in Klammern dazu: »Keine Ahnung, ob uns das wirklich weiterbringt. Gibt's sowas überhaupt?«
    Dann kam ein großer Stapel eingegangener Hinweise. Telefonnotizen meist, oder E-Mails. Das Übliche. Und Briefe, die meisten davon anonym. Manche sogar noch geklebt, wie albern. Trotzdem ging er sie alle durch. Was die Leute bewegt, solche Sachen zu schreiben und für wichtig zu halten. Da hatte einer ein Auto fahren sehen, bei einem anderen war einer in ein Auto eingestiegen. Ein Mann hatte »verdächtig« circa fünf Minuten an der Straße gestanden, eine anderer war nachts in ein Auto gestiegen und hatte telefoniert. Bei wieder einem war der Nachbar spät nachts aus dem Haus gegangen und erst am Morgen wieder heimgekommen. Und dazu immer die volle Nummer. Die Menschen sind krank im Kopf, dachte Behütuns.
    Eine anonyme Anzeige legte er auf die Seite: »1967 ist bei der Dynamit Nobel eine Kiste mit 24 Minen drin verschwunden. Hat man damals vertuscht. Sollten Sie vielleicht mal nachfragen.« 1967 – meine Güte, war das lange her! Wie lange die Leute Zeug mit sich herumtragen! Wie lange das in denen lagert und womöglich bohrt. Aber gut. Ist sicher auch nicht von