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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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»Ich muss niemanden finden. Sie brauchen die Person – ich denk nur im Profil. Und trotzdem: Ich kann Ihnen sicher ein paar Schablonen liefern, die, wenn Sie sie übereinanderlegen, vielleicht hilfreich sind. Denn mit jeder weiteren Schablone wird der Mann konkreter.«
    Behütuns sah nach oben in die Bäume. Ein Grünspecht klopfte da.
    »Ein Buntspecht«, sagte Dr. Hartung, und: »wie schön. Schon lange hab ich keinen mehr gesehen.«
    Behütuns sah ihn mitleidig an. »Buntspecht, Herr Doktor? Grünspecht!«, verbesserte er Hartung.
    »Ach ja?« Hartung schien irgendwie ertappt.
    »Ein Buntspecht ist schwarz, weiß, rot. Der hier ist grün. Also Grünspecht, okay?«
    »Aber auch bunt«, trotzte Hartung.
    »Nee, grün. Und ein bisschen rot.«
    Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen.
    Dann retournierte Hartung:
    »Sie sind mir schon ein toller Specht. Wohl Vogelkundler, oder was? Schräge Vögel jagen und in den Käfig bringen … ja doch, das macht mir Sinn.«
    Er lachte über sein Wortspiel, aber er lachte allein.
    »Grün-Rot ist doch viel bunter als Schwarz-Weiß-Rot«, schmollte er nach. Dann fuhr er fort zur Sache.
    »Ich war bei den Schablonen. Erste Schablone: Kindheitstrauma irgendwie. Das scheint sehr vage, aber suchen Sie erst bei den Opfern. Es muss dort irgendetwas geben.«
    »Zweite Schablone: SUV«, ergänzte Behütuns.
    »Noch ‘ne Schablone: Jemand mit irgendwie medizinischem Know-how. Wegen der Cocktails, der speziellen Mischung.«
    »Kriegt man die nicht übers Internet?«
    »Vielleicht. Aber nicht die Medikamente. Barbiturate, wie gesagt. Also nicht einfach so.«
    Behütuns nickte.
    »Okay. Dann: Intelligenz. Sportlichkeit. Trainiertheit.«
    »Beziehung zum Club. Oder massiv gegen ihn.«
    »Autokennzeichenfragmente möglicherweise.«
    »Eindeutig gegen Atomkraft. Massiv.«
    »Und im Besitz von Minen … warum gegen Atomkraft?«, wollte Behütuns wissen.
    »Ich mutmaße nur, aber mit einer Logik. Sehen Sie, nur Atomkraft ist ein Thema, das wirklich spaltet. Vereinsliebe oder Vereinshass, also Fußball, gehen nie so weit, das ist fast gar nicht denkbar. Wer so krank ist, fällt auf. Aber Atomkraft … schauen Sie: Atomkraft stützt sich seitens ihrer Verfechter eindeutig auf Vernunft und Argumente. Das geben sie so vor. Auf technischen Verstand und Ratio. Berechenbarkeit. Und auf das Retten der Welt. Langfristvernunft, wenn Sie so wollen. Im Grunde aber und bei Licht besehen, stützt sich der Standpunkt doch nur auf einen Glauben; und auf Vertrauen – und daraus resultiert dann Ideologie. Dann sind wir bei der Religion. Das ist dann nicht mehr diskutabel.«
    »Das geht mir jetzt zu schnell«, hakte Behütuns ein. »Stopp, stopp! Ich kann da nicht mehr folgen!«
    Hartung verscheuchte eine Fliege und holte noch einmal aus:
    »Man muss erst an die Technik glauben, ehe man sich auf sie berufen kann. Denn erst der Glaube an die Technik generiert ja das Vertrauen in die Technik. Nicht ihre Resultate. Was bei der Atomkraft jedoch im Namen von Vernunft und Berechenbarkeit getan wird, das stellt jede Erfahrung auf den Kopf. Denn die Atomkraft braucht, um den Menschen nicht zu gefährden, Jahrtausende der Sicherheit. Berechenbare politische Verhältnisse. Stabilität. Und schauen Sie sich um: Wo gibt es die? In Österreich? Brasilien? Pakistan? An Afrika gar nicht zu denken. Ja nicht einmal in Bayern gibt es das. Da sind die Grünen auf dem Vormarsch, und die CSU stirbt aus. Die Welt ist in Bewegung, ständig.«
    »Schön wär's!«
    »Was wäre schön?«
    »Das mit der CSU. Das sehe ich so nicht«, schüttelte Behütuns den Kopf.
    »Man muss in größeren Zeiträumen denken, lieber Behütuns.« Hartung grinste. »Die Zahlen sprechen klar für meine These. Die CSU wird alt und älter, also ihre Wähler, und langsam sterben sie aus. Das ist Biologie.«
    Behütuns hörte zu, tat sonst nichts.
    Hartung sprach, dachte weiter.
    »Zum Kern zurück: Man muss Vertrauen haben. Vertrauen aber entsteht nur durch Glauben. Aus dem Glauben. Das ist nichts Religiöses, dass wir uns da nicht missverstehen. Der Mensch ist so gestrickt. Hat er Vertrauen, akzeptiert er viel – ja tausendfach höhere Risiken, ganz gegen die Vernunft. Das sagt die Wissenschaft. Misstraut er aber, hilft auch nicht das Argument. Er wird sich nicht umstimmen lassen, es bleiben immer Zweifel. Bis er Vertrauen fasst – und dazu muss er glauben. Vernunft ausblenden.«
    Behütuns bestellte noch ein Spezi, Hartung wollte nichts.
    »Die

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