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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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Bedeutung, ganz sicher auch so ein Wichtigtuer, dachte er. Allerdings könnte auch etwas dran sein. So gesehen auf jeden Fall nicht so, dass man es gleich wegschmeißen sollte. Soll sich Jaczek mal drum kümmern, und er schrieb an den Rand »Jaczek!«.
    Dann war er durch mit dem, was da war. In der Vergangenheit forschen, hatte der Psychologe gesagt. Wie konnte er das tun, jetzt, von hier aus? Und erst einmal schrieb er hinter »Jaczek« auf dem letzten Hinweis noch »Mitarbeiterliste 1967«. Konnte auf jeden Fall nichts schaden.
    Im Internet forschen könnte er. Konnte er aber nicht. Das war nicht so sein Medium. P. A. sollte sich da mal drübermachen. Und er schrieb einen weiteren Anweisungs- oder Merkzettel: »P. A.: Vergangenheit erforschen von Dr. Joachim Sauer, Franz-Josef Pitsch, Hajo Schrader, Herbert Hölzer. Aufgewachsen, Schule, Besonderheiten?«
    Einen Versuch könnte er ja machen, dachte er. Todesanzeigen anschauen. Vielleicht gab es ja da einen Hinweis.
    Er ging hinüber ins Büro von Frau Klaus. Waren die Zeitungen noch da? Normalerweise lagen sie irgendwo im Regal. Bei Frau Klaus roch es nach Parfum. Wie sich Männer nur so eindieseln können, schüttelte er den Kopf.
    Und hob die Achseln, schnüffelte. Ich sollte auch noch duschen heute, kam es ihm. Hab heute noch kein Wasser gesehen. Frau Klaus' Parfum stand im Regal, er nahm es, sah es an, er hatte keine Ahnung von solchem Zeug, sprühte einmal. Puh, roch das schwu … – nein: süß! Das erste unterdrückte er. Hoffentlich kommt jetzt keiner rein … Ich hätte ja auch vorher daran riechen können.
    Die Zeitungen lagen im Papierkorb. Typisch. Wenn man Sachen nicht braucht, liegen sie herum. Braucht man sie dann, sind sie entsorgt. Diesmal war es ein Zwischending. Sie waren eigentlich schon fort – und doch noch da. Gut, dass sie hier sparen mussten und am Freitag keiner mehr kam, um die Büros zu säubern. Kamen die denn überhaupt noch täglich? Behütuns hatte keine Ahnung. Das ging ihn auch nichts an. Noch mehr: Es war ihm wurst. Er legte den Stapel auf den Tisch. Montag der erste Mord, also frühestens Dienstag eine Anzeige.
    Fehlanzeige.
    Mittwoch?
    Nichts.
    Donnerstag?
    Fehlanzeige.
    Freitag?
    Da war etwas, mit Absender Savitas. Normale Größe, unverfänglicher Text mit »verdienter Mitarbeiter« und »Führungskreis« (aha!), sonst nichts. Nichts Familiäres jedenfalls.
    Und Samstag?
    Nichts. Die Samstagszeitung war nicht da. Frau Klaus war samstags aber auch nicht da, also lag die Zeitung wahrscheinlich noch in der Post. Er sah hinüber in die Ablage. Die Zeitung war nicht da. Bei P. A. im Fach aber lagen zwei aktuelle Eingänge. Er sah sie sich an. Sie waren wohl über die Pforte gekommen, sonst lägen sie nicht hier. Die stopften das Zeug immer irgendwo rein, Hauptsache sie waren es los, und es war weg.
    Das eine war eine handschriftliche Telefonnotiz. Von Samstag, 23.35 Uhr, eingegangen über eine Handynummer. Die ganze Notiz war mit einer krakeligen Sauklaue geschrieben. Völlig unharmonisch und ungelenk. Er musste denen an der Pforte einmal sagen, dass sie deutlicher zu schreiben hätten. Aber das kann ja heute keiner mehr. Handschrift wird nicht mehr geübt. Man sitzt den ganzen Tag am Computer und hackt seine Buchstaben hinein, schreibt SMS oder E-Mails, chattet, twittert, was weiß ich – aber schreibt nichts mehr per Hand. Kein Wunder, dass die Notizen so aussehen. Schrieben die Leute heute überhaupt noch Briefe? So richtig per Hand? Grüße aus dem Urlaub vielleicht, Ansichtskarten, aber sonst nichts. Traurig war das. Man hatte einfach keine Zeit. Oder nahm sie sich nicht. Das war einem der andere nicht mehr wert.
    Während all dessen hatte er auf das Blatt geschaut, auf diese krakelige Handschrift, und nichts entziffern können. Er war mit den Gedanken woanders. Er verschob das Entziffern auf später und nahm sich den anderen Eingang vor: Das Ergebnis der Untersuchung aus dem Wald. Von der Stelle, die der Ornithologe angegeben hatte.
    Was er dort las, machte ihn erst stutzig, dann schüttelte er den Kopf, dann wurde er sich der Tragweite dessen, was dort stand, bewusst: Es warf die Ermittlungen zurück. Denn hier stand schwarz auf weiß: Was dort explodiert war, war keine Mine, es war eindeutig eine Handgranate, genauer: eine relativ ungefährliche Übungshandgranate. Letztlich ein größerer Böller, aus Bundeswehrbeständen. Hier war auch genau der Typ bezeichnet, die Bauart, der Hersteller. Eine Handgranate mit sehr

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