Schakale Gottes
glaube, wir haben es hier mit einem neuen Wunder der Schwarzen Madonna zu tun.« Ergriffen kniete er nieder. »Lasset uns beten.«
Die Mönche und der Büttel folgten seinem Beispiel.
»In nomine patri et filii et spiritus sancti …«
Nach längerem Gebet erhob sich der Prior und sagte an Tadeusz Minka gewandt: »Die Geschichte unseres Klosters wurde mit Blut, Trauer, Hoffnung und mit Tränen der Freude geschrieben. Heute ist ein Tag der Freude. Und dir, Tadeusz, verdanken wir sie! Du sollst deshalb nicht ohne Lohn von uns gehen. Der Custos wird dir ein paar Rubelchen aushändigen, die du gewiß gut brauchen kannst.«
»O ja!« sagte der Büttel erfreut. »Zumal ich den Bauer Jósef zu Barschtsch und Wodka eingeladen habe.«
Die Mönche lachten.
»Erzähle ihm aber nichts von dem Fund!«
»Da können Hochwürden sich ganz auf mich verlassen.«
2
Nichts macht in Polen so rasch die Runde wie ein wohlgehütetes Geheimnis. ‹ Dieses Sprichwort bewahrheitete sich wenige Tage, nachdem Tadeusz Minka das Kloster Jasna Góra aufgesucht hatte. Das Gerücht, das plötzlich kursierte, tauchte aber in so unterschiedlichen Varianten auf, daß der zweifellos bestehende Zusammenhang mit dem Fund der Edelsteine nur für Eingeweihte erkennbar wurde. So hieß es zur Empörung der Bevölkerung, aus dem Kronenschmuck der Schwarzen Madonna, der in jenen Tagen auf 18 Millionen Goldmark geschätzt wurde, seien die kostbarsten Edelsteine geraubt und durch unechte ersetzt worden. Eine andere Version besagte, die Ochrana habe sich des Schatzes bemächtigt, um auf die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen des Klosters aufmerksam zu machen und daraus für sich ein Aufsichtsrecht herleiten zu können.
Dieses Gerücht bewog Oberst Iwan Stepanowitsch, Chef der russischen Verwaltungsbehörde, unverzüglich nach Jasna Góra zu fahren, wo er Prior Rejman zu sprechen wünschte.
Der ansonsten besonnene hohe Ordensgeistliche, der sich der Würde seines Amtes sehr wohl bewußt war, reagierte blitzschnell. Er beauftragte seinen Sekretär, zu erklären, er bereite sich gerade für die Heilige Messe vor, sei jedoch gewillt, den Herrn Kommandanten in der Sakristei zu empfangen. Oberst Stepanowitsch durchschaute nicht, daß der Prior den für einen Empfang ungewöhnlichen Raum wählte, um das Gespräch jederzeit wohlbegründet abbrechen zu können.
»In der Sakristei riecht es wenigstens nach Weihrauch und nicht nach alten Männern«, sagte der Russe bissig, als der Sekretär ihn zur Gnadenkapelle führte.
Prior Rejman hatte in der Sakristei, deren in Pastellfarben bemaltes Kreuzgewölbe sich von der rotbraunen Wandtäfelung wie ein duftiger Blumenhimmel abhob, bereits die Alba angelegt und ließ sich gerade das Cingulum reichen, als Oberst Stepanowitsch eintrat. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie hier empfange«, sagte er mit zuvorkommender Geste. »Aber da man mir meldete, es sei dringend …«
»Äußerst dringend!« fiel der Russe mit Nachdruck ein. »Ich komme wegen des unglaublichen Gerüchtes, die Ochrana habe sich der Juwelen des Kronenschmuckes bemächtigt und wolle eine Kontrolle über das Kloster gewinnen.«
Prior Rejman schüttelte den Kopf.
»Darüber regen Sie sich auf?«
Dem Oberst schwollen die Adern. »Erwarten Sie etwa, daß ich mich freue?«
»Das wäre zuviel verlangt. Nein, mich setzt nur in Erstaunen, daß Sie deshalb zu mir kommen. Wie kann man ein Gerücht ernst nehmen, das, zumindest was den ersten Teil angeht, jeder Grundlage entbehrt. Der Schmuck ist ja vorhanden! Und was den zweiten Teil anbelangt: Wünscht sich Ihre Regierung nicht schon seit langem eine Kontrolle über Jasna Góra? Aber da ist nichts zu machen. Zar Nikolaus I. hat uns als einzigen katholischen Orden im russisch besetzten Gebiet anerkannt. Und den Wiederaufbau unserer Verteidigungsanlagen, die Zar Alexander I. hatte schleifen lassen, hat er aus wohlerwogenen Gründen genehmigt. Ihm ging es darum, seine Toleranz vor aller Welt zu demonstrieren.«
»Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, zu unterstellen, wir wünschten das Kloster zu kontrollieren! Ich fordere Sie deshalb auf, der Bevölkerung gleich in der nächsten Messe zu verkünden, daß der Schmuck nicht gestohlen worden ist und auch alle übrigen Behauptungen aus der Luft gegriffen sind.«
Der Prior warf sich die Casula über. »Erwarten Sie im Ernst von mir, daß ich im Gotteshaus Gerüchte dementiere?«
Oberst Stepanowitsch schnaubte. »Wenn Sie meinem Wunsche nicht entsprechen,
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