Schakale Gottes
weiteres in Gidle sicherzustellen.
Pawel Bobak zählte zu jenen Menschen, die hinter einem Silberstreifen am Horizont gleich massives Gold wittern. Dies verleitete ihn, die Aussage des Inhabers vom Hotel Polski viel zu hoch zu bewerten. Für ihn rückte die Auflösung des Mordfalles bereits in greifbare Nähe, als der Wirt, den er zur Identifizierung in das Totenhaus gebeten hatte, nach anfänglichem Zögern glaubte bestätigen zu können, daß der Ermordete einem Mann ähnlich sehe, der über eine Woche sein Gast gewesen war. Er habe Kielce als seinen Wohnsitz angegeben, Waclaw Wojkowski geheißen und sich mehrmals mit einem Makler getroffen, der sich seit Monaten bemühe, eine größere landwirtschaftliche Besitzung zu verkaufen.
Der hinzugezogene Makler bestätigte die Angaben des Hoteliers. Auch er vermeinte in dem Toten Waclaw Wojkowski wiederzuerkennen, fügte seltsamerweise jedoch hinzu, dies sei fast ein Trost für ihn. Er habe schon geglaubt, Wojkowski hätte ihm einen üblen Streich gespielt; denn er habe mit ihm einen Kaufvertrag über 56.000 Rubel abgeschlossen und Wojkowski habe ihm versichert, nur noch nach Kielce fahren zu müssen, um das Geld bei seiner Bank abzuheben. In spätestens drei Tagen würde er zurück sein. »Das war vor einer Woche«, schloß der Makler betrübt. »Unnötig zu sagen, daß Wojkowski bis heute nicht wieder erschienen ist.«
Raubmord in einem Ort, der in der Nähe des Oberlaufes der Warthe liegt, dachte Kriminalmeister Bobak und kombinierte: Wer von Kielce nach Nowo-Radomsk fährt, muß in Czenstochau umsteigen. Womöglich hat Wojkowski sich dort einen vergnügten Abend gemacht, dabei mit seinem Geld geprotzt, und dann ist es passiert.
Pawel Bobak setzte sich unverzüglich mit der Kriminalpolizei von Kielce in Verbindung. Er mußte wissen, wann Waclaw Wojkowski das Geld abgehoben hatte und wieder nach Nowo-Radomsk gefahren war. Die Nachricht aber, die er vierundzwanzig Stunden später erhielt, verblüffte ihn. Sein Kollege teilte ihm am Telefon mit, nur die Mutter von Frau Wojkowski angetroffen und von ihr erfahren zu haben, ihre Tochter sei nach Warschau gereist und ihr Schwiegersohn halte sich seit über einer Woche in Nowo-Radomsk auf, wo es ihm gelungen sei, ein Gut zu kaufen. Voller Stolz habe sie eine Postkarte gezeigt, auf der Waclaw Wojkowski seiner Frau dazu gratulierte, daß sie Gospodyna, Hofherrin, geworden sei. ›Leider‹, so habe es wörtlich auf der Karte geheißen, ›kann ich wegen der Übernahme der Liegenschaften und Geräte nicht vor zwei Wochen zurückkehren. Nutze also die Zeit und besuche deine Bekannten. Später wirst du nicht mehr dazu kommen. Hier wartet harte Arbeit auf uns.‹ Auf dem Kartenrand sei noch vermerkt gewesen: ›Vom Geld, das ich mitgenommen habe, sind 14.000 übriggeblieben! ‹
Da scheine ich ja auf eine faule Sache gestoßen zu sein, dachte der Kriminalist. Vor Erregung röteten sich seine etwas feisten Wangen.
Der Kollege, mit dem er telefonierte, schloß seinen Bericht mit der Feststellung: »Merkwürdige Sache, was?«
»Allerdings. Wann wird Frau Wojkowski zurückerwartet?«
»Morgen oder übermorgen.«
»Schick sie dann gleich rüber. Am besten begleitest du sie. Eine Leichenschau ist für eine Frau eine böse Sache. Und für dich würden zwei schöne Tage und Reisespesen herausspringen.«
»Werd' sehen, was sich machen läßt.«
Nachdenklich hängte Pawel Bobak den Hörer auf. Warum hatte dieser Wojkowski seine Frau belogen? Um Zeit zu gewinnen? Zeit wofür? Bestimmt nicht für das Gut, das er allem Anschein nach überhaupt nicht kaufen wollte. Aber warum hatte er dann so viel Geld abgehoben? Vermutlich 70.000 Rubel, nämlich 14.000 mehr, als der vom Makler genannte Kaufpreis ausmachte. Wenn Wojkowski tatsächlich der Ermordete war, dann hatte der Mörder, wahrscheinlich ohne es zu ahnen, in einer verteufelt undurchsichtigen Sache den Schlußpunkt gesetzt.
Bobaks Ehrgeiz wuchs wie ein subtropisches Gewächs. Das Glück schien ihm zwei Verbrechen auf einmal beschert zu haben. Unverzüglich wollte er all jene Orte aufsuchen, die südlich von Nowo-Radomsk in der Nähe der Warthe lagen. Es würde gewiß mühselig und strapaziös werden, mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf zu fahren, aber das war immer noch besser, als daheim zu sitzen und von einem Kriminalfall zu träumen, wie er ihn jetzt bekommen hatte. Außerdem waren überall Bauernfuhrwerke unterwegs. Da bot sich immer wieder die Möglichkeit, das Rad auf einen
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