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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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kannst, sag es mir und nicht anderen Leuten.
    Nach diesem letzten Brief sahen sich Ruth und Wrangel eine Weile schweigend an.
    »Nun habt Ihr zumindest schwarz auf weiß, was Euch die Hebamme bereits erzählte und was Ihr nach dem, was Eure Mandantin vor Gericht ausgesagt hat, schon selbst vermuten konntet: Sie hat diese Cäcilie einmal sehr geliebt, es kam zur Trennung, wohl aus Eifersucht oder auch Untreue, und Eure Mandantin hat darunter zunehmend gelitten, sodass sie bald sogar dazu bereit war, um ein Wiedersehen zu betteln. Wir wissen aber nicht, ob sie ihre Cäcilie auch tatsächlich wiedergesehen hat. Der letzte Brief ist im Dezember 1700 verfasst, der Mord fand im Januar des neuen Jahres statt.«
    »Ihr solltet Anwältin werden, Ruth. Ihr kombiniert schnell und sicher.«
    »Macht Euch nicht lustig über mich. Ihr wisst genau, dass mir jegliches Studium an einer Universität auf immer versagt ist und ich meinen Geist nur im Privaten und auch da nur vor mir gewogenen und weltoffenen Menschen zeigen darf. Oder wolltet Ihr mir etwa nahelegen, dass ich den Weg Eurer Mandantin wählen und mich in Männerkleidern an einer Universität einschreiben sollte?«
    »Verzeiht, natürlich nicht. Ich wollte Euch nur sagen, dass es eine Freude ist, mit Euch gemeinsam über ein Problem nachzudenken. Und dass Ihr mir bei diesem Fall eine wertvolle Hilfe seid. Niemals würde ich Euch nahelegen wollen, den Pfad eines ehrlosen Lebens zu beschreiten.«
    Ruth schaute Wrangel einen Augenblick fest in die Augen, bis dieser leicht errötete. Dann lächelte sie einlenkend. »Gut, also lasst uns weiter über Euren Fall nachdenken. Euch zur Hilfe und mir zum Vergnügen.«
    »Dann will ich Eure Schlussfolgerungen ergänzen: Der letzte Brief ist im Dezember 1700 datiert. Aber kurz vor Palmsonntag 1701 war Bunk das letzte Mal bei der Hebamme in Wandsbek. Warum hätte sie die Briefe, die Cäcilie ja wohl nie erhalten und gelesen hat, dort in der Schublade liegen lassen sollen, wenn sie sie inzwischen getroffen hätte und wieder mit ihr zusammenlebte? Warum sollte sie sich nachträglich noch die Blöße für diese Liebesbettelei geben wollen?«
    »Vielleicht hat sie die Briefe vergessen?«
    »Dann sollten wir die anderen Schreiben öffnen und sehen, ob uns deren Datierungen weiterhelfen. Sind sie nämlich jünger als die Briefe an Cäcilie, wird Bunk sie kaum vergessen haben.«
    Damit brach Wrangel das schwere Siegel des vierten Briefes, der keinen Adressaten nannte, und begann zu lesen. Aber augenblicklich hielt er inne und schaute Ruth an. »Was immer dies zu bedeuten hat, wird es uns im Falle Bunk kaum weiterbringen.«
    »Warum? Was steht in dem Brief?«
    »Das weiß der Himmel.«
    »Ist es in einer anderen Sprache geschrieben?«
    »Seht selbst.« Wrangel reichte Ruth den Brief. Er bestand aus vier Zeilen scheinbar willkürlich aneinandergereihter Buchstaben und enthielt weder ein Datum noch eine Unterschrift.
    »Ihr habt recht, das mag der Himmel wissen. Zumindest sieht es nicht nach einer Sprache aus, die mir bekannt ist.«
    Wrangel brach inzwischen das Siegel des zweiten Schreibens. »Dies hilft uns schon eher weiter. Hört zu: Verehrter Hieronymus,am Dienstag, den 7. April werde ich Dich, wie vereinbart, zur Mittagsstunde besuchen. Mit Gottes Gruß, Nikolaus. «
    Ruth schaute Wrangel nachdenklich an. »Das ist die Bestätigung einer Verabredung. Sehr knapp gehalten, aber immerhin mit einem Datum versehen, das uns weiterhilft. Der Brief ist mit Sicherheit vor dem 7. April geschrieben, aber wohl kaum mehrere Monate davor. Das wäre selbst für ein Mittagessen übertrieben. Kurz vor Palmsonntag soll Bunk doch in Wandsbek gewesen sein. Das käme ungefähr hin. Wie Ihr schon eben überlegtet, hätte Bunk dann Cäcilie zwischen Dezember und April nicht mehr gesehen. Wenn sie Euch das bestätigt, könnt Ihr die Frau damit stark entlasten. Bravo, Hinrich!«
    Wrangel reagierte nicht sofort auf Ruths kleinen Freudenausbruch, sondern dachte nach. So fiel ihm auch erst allmählich auf, dass ihn die junge Frau eben beim Vornamen angesprochen hatte. Dann aber huschte ein Lächeln über sein Gesicht, und er erinnerte sich an ihre kleine Hand, die sich auf der Hinfahrt so selbstverständlich auf die seine gelegt hatte. Er schaute ihr in die Augen und sann eine Weile nach, bevor er seine Überlegungen erläuterte.
    »Ihr habt recht mit dem Datum, Ruth. Mich beschäftigt aber der andere Brief. Was für eine Sprache soll das sein? Mir scheint, wir haben

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