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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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angenommen! »Nein, davon habe ich tatsächlich noch nichts gehört, Syndikus Lorenz. Aber an der Börse spricht man davon?«
    »Was heißt, man spricht davon? Die Börse brodelt und kocht! Wisst Ihr, was so eine Fleute wert ist, junger Mann? Vierhunderttausend Gulden hat Wilken für das Schiff bezahlt und es mit Wechseln über sein gesamtes Vermögen finanziert. Morgen werden die Wechsel fällig, und das Schiff ist noch immer nicht in die Elbe eingelaufen. Da könnt Ihr Euch vorstellen, was da drüben los ist.« Er deutete mit fahriger Hand in Richtung Börse.
    »Wo ist denn Wilken? Er war heute nicht bei Gericht.«
    »Der hat zurzeit sicherlich andere Sorgen. Vielleicht findet Ihr ihn in der Kirche, den Herrn um Hilfe bittend.«
    Wrangel drückte dem aufgeregten Syndikus freundschaftlich die Hand und verabschiedete sich. Nach diesen Neuigkeiten wollte er nicht für noch mehr Unruhe mit der Nachricht von Abelsons Tod sorgen. Lorenz würde früh genug davon erfahren.
    Schnell lief er in Richtung St. Katharinen. Claussen musste ihm helfen. Er konnte Ruth nicht allein diese furchtbare Nachricht überbringen.
    Keine fünfzehn Minuten später liefen Wrangel und Claussen so schnell es das glatte Kopfsteinpflaster zuließ zur Kleinen Johannisstraße. Jurek öffnete ihnen mit versteinerter Miene die Tür. Im Haus war alles dunkel, nur aus dem Kabinett drang ein kleiner Lichtstrahl auf den Flur hinaus.
    »Der Herr ist seit gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Das Fräulein und ich befürchten das Schlimmste.«
    Wrangel schluckte und nickte dem kräftigen Mann zu.
    »Er wollte nicht, dass ich ihn begleite, Herr. Er sagte, es dauere nicht lange. Und nun ist er schon die ganze Nacht fort.«
    »Es ist ein schreckliches Unglück passiert, Jurek«, sagte Wrangel. »Bring uns bitte zu Fräulein Ruth, und dann bereite alles vor, damit sie von hier fortkann.«
    Jurek starrte die beiden Männer mit aufgerissenen Augen und herunterhängendem Kiefer an. Dann fasste er sich und führte sie ins Kabinett.
    Ruth saß zusammengesunken und in eine schwere Stola gehüllt an dem Schreibtisch ihres Vaters und spielte mit einem Brief in ihren Händen.
    Als die beiden eintraten, erbleichte sie, und ihre Lippen fingen an zu beben. »Mein Vater verabschiedete sich von mir mit den Worten, sollte er nicht zurückkehren, werdet Ihr kommen, und dieser Brief sei dann für Euch.«
    Wrangel kämpfte gegen einen gewaltigen Kloß in seiner Kehle, der ihm den Atem nahm und das Sprechen unmöglich machte.
    »Was ist passiert, Hinrich? Sagt es mir bitte, ich sehe Eurem Gesicht an, dass es «
    »Ruth, ein furchtbares Unglück ist geschehen«, fiel ihr Claussen ins Wort. »Euer Vater ist tot.«
    Ruths Gesicht erstarrte. Ihre Hände klammerten sich an den Brief, ihre Augen fingen an, unwirklich zu glänzen. Dann rollten Tränen über die starren bleichen Wangen, liefen den Hals hinab und verfingen sich in der schweren Stola.
    Wrangel ging auf sie zu. »Ruth, es tut mir so furchtbar leid. Ich erfuhr es heute früh am Niedergericht. Der Brookvogt behauptete, Euer Vater sei auf einem glatten Weg auf der Wallanlage ausgerutscht und in die Tiefe gestürzt. Aber «
    »Mein Vater spaziert nicht in der Dunkelheit auf der Wallanlage entlang. Auch gibt er mir keinen Brief für Euch, wenn er nicht ahnte, was ihn erwarten könnte.« Sie stand auf und hielt Wrangel den Brief entgegen. Kaum nahm er ihn, schluchzte sie auf, bedeckte ihr Gesicht mit den nun frei gewordenen Händen und taumelte nach hinten.
    Claussen eilte herbei, nahm sie fest in seine Arme und setzte sie behutsam auf einen Stuhl. »Ruth, Ihr könnt hier vorerst nicht allein bleiben. Wir bringen Euch in das Haus meines Oheims. Meine Tante wird sich um Euch kümmern, und mein Oheim wird helfen, alles zu organisieren, was für Euch notwendig ist.«
    »Hinrich, öffnet den Brief und sagt mir, ob es den Preis wert war.« Ruth starrte Wrangel mit tränennassen Augen flehend an.
    »Kein Preis ist dies wert, liebe Ruth. Aber bitte, hört auf Matthias und packt ein paar Sachen zusammen. Ich werde inzwischen den Brief lesen.«
    Behutsam half Claussen Ruth aus dem Stuhl und führte sie hinaus, um ihr beim Packen behilflich zu sein.
    Allein in Abelsons Arbeitszimmer, setzte sich Wrangel innerlich erschlagen auf einen Stuhl neben dem Globus und brach vorsichtig das Siegel des Briefes in seiner Hand. Als er ihn auseinanderfaltete, fiel ihm ein kleinerer, ebenfalls versiegelter Brief entgegen. Er war an Ruth adressiert.

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