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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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stolperte sie durch die Nacht. Als der Morgen graute, entdeckte sie einen etwas abseits gelegenen Heuschober. Sie schlich hinein und verkroch sich hustend und zitternd in die hinterste Ecke. Wie viele Tage und Nächte sie dort blieb, wusste sie nicht. Eines Morgens aber war das Fieber weg, und sie machte sich auf den Weg Richtung Westen.
    Wrangel nickte bedächtig mit dem Kopf. »Da hast du wirklich Glück gehabt, dass du mit dem Leben davongekommen bist.«
    »Glück«, grunzte Bunk verächtlich. »Aber so nennt man es wohl, wenn man dem Teufel noch einmal von der Schippe gesprungen ist. Jedenfalls war ich froh, dem alten Säufer entkommen zu sein.«
    »Wohin gingst du danach?«
    »Ich wollte zurück zur Küste, hoffte auf eine neue Heuer. Nun, zunächst kam ich bei einem alten Fährmann und seiner Frau unter.«
    »Bei einem Fährmann?«
    »Ja, hinter Leer kam ich an die Ems. Der Fährmann, der mich hinüberbringen sollte, war ein alter Greis. Er hatte kaum noch die Kraft, die Taue festzuzurren. Der Winter hatte ihm schwer zugesetzt, und seine Frau, eine runzelige Alte, befürchtete, er fiele tot von der Fähre, müsste er sie allein über den Fluss ziehen.«
    »So wurdest du also Fährmann?«
    »Nein. Aber einige Wochen blieb ich doch bei den Alten. Kost und Logis war alles, was sie zu bieten hatten, aber mir reichte es, zumal die beiden gute Menschen waren.«
    »Und dann?«
    »Dann zog ich weiter.«
    »Warum? Die Alten waren doch wohl gut zu dir?«
    »Es bot sich eben eine gute Gelegenheit.«
    »Eine bessere, als Fährmann zu sein?«
    »Ich war kein Fährmann. Ich hab dem Alten nur geholfen. In der Woche vor Himmelfahrt kam ein Frachtkahn vorbei, der die Ems flussabwärts Richtung Nordsee fuhr. Auf dem heuerte ich an.«
    »Und wohin ging es dann?« Wrangel musterte Bunk interessiert. Was hatte sie bloß weitergetrieben, wo die beiden Alten doch wohl gute Leute waren? Ob sie einfach keine Ruhe hatte, an einem Ort zu bleiben? Ob die Angst, erneut entdeckt zu werden, sie die Flucht nach vorn antreten ließ?
    »Es ging nach Holland.«
18
    D er Frachtkahn, auf dem Bunk angeheuert hatte, pendelte den Sommer über zwischen Groningen und Amsterdam hin und her und belieferte die niederländischen Waddeneilanden mit verschiedenem Handelsgut. Kochen, schruppen und schleppen wurde erneut Bunks Alltag. Zur Besatzung des Kahns zählten neben Bunk drei kräftige Friesen. Der Kapitän kam ausAmsterdam. Bunk hatte wenig auszustehen, die Männer waren gutmütige Kerle, zufrieden mit Bunks bescheidenen Kochkünsten und nur im Vollrausch mit Vorsicht zu genießen. Bunk hielt sich an ihre Erfahrungen, mied den Schnaps und ging handgreiflichen Streitigkeiten, soweit möglich, aus dem Weg. So verlief das Leben ruhig, bis zum 29. September 1697, dem Tag des Erzengels Michael und aller Engel.
    Es war ein sonniger warmer Herbsttag. Der Kahn lag in Amsterdam vor Anker, die Arbeit ging leicht und schnell von der Hand, die Geschäfte liefen gut. Als es sechs Uhr schlug, haute Maik, der kräftige Maat, den anderen auf die Schultern und sagte: »Heute ist mein Namenstag, und da wird gefeiert, dass es kracht!«
    Zuerst zogen die Friesen mit Bunk im Schlepptau durch die Bierkneipen am Kai. Der Kapitän, als Einziger von ihnen kein Fremder in dieser Stadt, sondern ein ehrbarer Bürger, blieb grinsend beim Kahn zurück, um Wache zu halten. Für ihn stand immerhin seine Ehre auf dem Spiel, sollte ihn jemand zur falschen Zeit am falschen Ort treffen. Vergnügungen dieser Art leistete er sich nur weitab von seiner Heimatstadt. In den Kneipen gab eine Runde die andere, die Stimmung stieg. Als der Abend dämmerte, waren alle schon etwas wackelig auf den Beinen.
    »Und nun los, zu den Amsterdamer Deerns!«, brüllte Maik betrunken in die Runde.
    Die Stadt war bekannt für ihre Huren. Nach Paris, der Königin des horizontalen Gewerbes, teilte sich Amsterdam zusammen mit London den zweiten Platz. Bunk wurde mulmig zumute, aber sie hatte keine Chance, sich zu entziehen. Die Männer nahmen sie in die Mitte und zogen los zum Eckhaus an der Geldersekade , in dem das Spielhaus De Zoete Inval untergebracht war. Schon von weitem hörten sie laute Tanzmusik auf die Straßedröhnen, unterlegt von feuchtfröhlichem Stimmengewirr. Als sie an der Schwelle standen, öffnete Maik mit einem kräftigen Ruck die schwere Tür, und eine Wolke feuchtwarmer Luft, geschwängert von Branntwein, Essensdünsten und schwerem Parfüm, schlug ihnen entgegen.
    »Aah, das duftet nach

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