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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Mitte. Sie war blass, aber ihre Lippen schimmerten wie früher und ihre schönen wasserblauen Augen glänzten sanft. Das Haar trug sie züchtig unter einer von feinsten geklöppelten Spitzen verzierten Haube verborgen. Ihre Schultern bedeckte eine ebenfalls geklöppelte Stola. Die beiden Hamburgerinnen trugen nur winzige Spitzenhäubchen zu ihren schweren Samtkleidern, die in der Taille eng geschnürt waren. Elisabeths Kleid hingegen wölbte sich unter dem Busen. Wrangel spürte, wie ihm das Blut in den Adern stockte, als er auf ihren Leib sah. Sie war unverkennbar schwanger.
    Schweißperlen traten auf seine Stirn, und in seiner Mundhöhle versiegte der Speichel. Verlegen hielt er sich die Hand vor den Mund und versuchte, durch eiliges Schlucken den Speichelfluss wieder in Gang zu bekommen, um überhaupt ein Wort sagen zu können. Da eilte ihm schon die Hausherrin zu Hilfe.
    »Welch eine Freude, Prokurator Wrangel, Euch heute bei uns begrüßen zu dürfen! Schon viel Gutes hörte ich von Eurer engagierten Arbeit bei Gericht. Ihr müsst wissen, mein Gatte ist voll des Lobes für Euch. Darf ich Euch meine junge Schwägerin Annemarie Wilken vorstellen? Sie ist der Sonnenschein unserer Familie.«
    Die junge Frau lächelte Wrangel ein wenig verlegen an und tupfte sich sogleich mit einem zierlichen Spitzentaschentuch die Mundwinkel, die eine Reihe unansehnlich schief gewachsener Zähne einrahmten.
    »Den Sonnenschein der Familie Wrangel, Eure Schwägerin, die entzückende Elisabeth, kennt Ihr selbstverständlich.«
    Wrangel bekam kein Wort über die Lippen. Nach einer ihm schier endlos scheinenden Weile raffte er sich endlich auf und begrüßte die Damen. Als er Elisabeths Hand als letzte ergriff, lag sie eisig und feucht in seiner, und er spürte sie zittern.
    Die Diener servierten inzwischen heiße Schokolade und feines Gebäck, und die Herren nahmen um ein kleines Tischchen herum Platz, das vor das Kanapee gestellt worden war.
    Wrangel konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn dem sich sofort entwickelnden Gespräch folgen. Der Anblick Elisabeths hatte ihn tiefer getroffen, als er befürchtet hatte. Vor allem, dass sie bereits schwanger war und, wie es schien, auch schon sehr weit, ließ Schmerz, Eifersucht und die Wut auf seinen Bruder erneut aufschäumen. Sie war so zart und weich und jetzt, in diesem Zustand, auch so hilfsbedürftig, dassihm seine Einsamkeit, sein Verstecken hinter juristischen Büchern nur umso stärker aufstieß. Claussen hatte recht gehabt. Er hätte um sie kämpfen, sich bemühen, ihr seine Liebe zeigen sollen. Stattdessen hatte er sich immer weiter hineingesteigert in die philosophischen Gedankengänge von Thomasius und versucht, seinem Meister nachzueifern. Und was war der Lohn? Sein feister Bruder hatte sich Elisabeth genommen und sie geschwängert. Und er, der kleine idealistische Bruder Hinrich, lebte allein in einer fremden Stadt und schlug sich mit der Verteidigung eines Mannweibs herum, dem man einen Mord anhängen wollte.
    »Findet Ihr das nicht auch, Prokurator Wrangel?«, riss Michel Wilken Wrangel aus seinen Gedanken. Er schaute den Senator unverwandt an und wusste nichts zu antworten.
    »Die Familienbande, Prokurator, meine ich.«
    »Die Familienbande, ja, Senator«, haspelte Wrangel Michel Wilken zerstreut nach.
    »Sie sind wohl das wichtigste Gut, das wir zu pflegen haben, meine ich.«
    »Ja, sehr wichtig, da habt Ihr recht.«
    »Darum ist es mir ja so eine Freude, dass es uns heute gelungen ist, Euch und Euren Bruder hier bei meinem Bruder wieder zusammenzuführen, nachdem Euch die wirtschaftlichen Verpflichtungen über Jahre haben getrennte Wege gehen lassen. Da hier nun bereits die nächste Generation der Wrangels heranwächst«, er deutete lächelnd auf Elisabeth, die leicht errötete, »und nicht nur mein Freund Albrecht ein stolzer Vater, sondern auch Ihr bald zum Oheim werdet, ist es doch an der Zeit, die Bande der Familie wieder enger zu knüpfen. In unserer Familie ist es Tradition, dass der Bruder dem Bruder als Pate für das erstgeborene Kind zur Seite steht.«
    Wrangel spürte einen gewaltigen Kloß im Hals, als Albrecht sich nickend räusperte.
    »Das ist wahrlich eine gute Tradition im Hause Wilken, die «
    » die im Hause Wrangel jedoch keine Tradition hat, da bei uns doch schon immer jeder seinem eigenen Stern gefolgt ist«, unterbrach Wrangel seinen Bruder.
    »Nun, jede Tradition muss einmal begonnen werden, lieber Prokurator Wrangel«, mischte

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