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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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gewählt hättet, ohne finanzielle Not, wie ich bei Eurer Stellung annehmen darf, um vielleicht wirklich über Euch selbst bestimmen zu können. Jetzt sitzt Ihr hier in dieser zwar luxuriösen, aber doch beengten Kutsche mit mir, ob es Euch passt oder nicht, müsst Euch mein Geplänkel anhören und hoffen, dass Jurek bald das Tor passiert, damit wir dem Ziel näher kommen.«
    Wrangel drehte seinen immer noch dröhnenden Kopf und schaute Ruth ins Gesicht. Wahrlich, sie war nicht einfach ein verwöhntes meckerndes Zicklein. Sie war eine Frau, die ihren Verstand zu gebrauchen wusste und ihn einsetzte, um ihn zu fordern. In diesem Moment zog die Kutsche an, und sie rollten auf die Torwachen zu. Jurek regelte alle Formalien, ohne dass auch nur ein Blick in den Wagen geworfen wurde. Noch nie hatte Wrangel einen Grenzposten auf diese Weise passiert.
    »Erzählt mir von der Freiheit, sich zu bewegen, wie man es wünscht, ganz ohne Rücksicht auf all die, die sonst immer das Sagen haben.«
    Wrangel betrachtete die junge Frau. Ihre hübschen grauen Augen funkelten wie polierter Graphit, und ihre Wangen waren mit einem zarten rosa Schimmer überzogen. Sie war schön. So schön, wie er seit langem keine Frau mehr empfunden hatte. Selbst Elisabeth hatte nie so gestrahlt wie diese Frau. Als er sie gestern sah, wirkte sie sogar eher fahl oder müde. Das mochte an ihren anderen Umständen gelegen haben, aber es war ihm ins Herz gegangen, dass ihre frühere Frische verschwunden war. Natürlich war sie immer noch eine bezaubernde Erscheinung mit ihrem vollen blonden Haar, den wasserblauen Augen und dem Kirschmund, der stets so glänzte, als sei er frisch mit Wasser benetzt. Aber nie leuchtete aus ihr diese Kraft, dieser Wille wie ein Feuer, das Ruth bei lebendigem Leibe zu verzehren schien.
    »Nun, es ist wohl die Freiheit, seinen Gedanken ihren Rhythmus zu lassen, die Schritte als Metrum zu verstehen und Weg und Wetter als Tempusvorgabe. Ihr müsst wissen, ich bin bisher alle großen Wege meines Lebens zu Fuß gegangen. Es spendete mir innere Ruhe. Der Weg wurde zum Ziel und das Ziel zu einer Art Erfüllung all dessen, was mich unterwegs bewegte.«
    »Das hört sich regelrecht poetisch an. Eine Poesie, die einer Frau wie mir auf immer verschlossen sein wird, da andere über ihren Weg entscheiden.«
    »Seid nicht so hart gegen Euren Vater. Er hat sein Bestes getan, um Euch Euren Wunsch nach Freiraum zu ermöglichen. Ihr fahrt nach Wandsbek. Diesen Weg im November zu Fuß zurückzulegen kann nicht wirklich Euer Herzenswunsch sein. Auch ich bin dankbar, heute hier mit Euch zu sitzen, anstatt über nasse und verschlammte Wege zu Fuß mein Ziel zu erreichen.«
    »Was ist denn Euer Ziel? Was führt Euch nach Wandsbek?«
    »Eine Frau, die die Knechtschaft der Männer noch weniger ertrug als Ihr und sich weitaus radikaler gegen sie stellte, als Ihr überhaupt zu träumen vermögt.«
    »Erzählt mir von ihr. Vielleicht sind wir Schwestern im Geiste.«
    »Wohl kaum. Es geht um das Mannweib, das ich verteidige. Ihr wird eine Verwicklung in einen Mordfall vorgeworfen, die ich zu bezweifeln wage, was ich aber nicht beweisen kann. Noch nicht. Darum möchte ich in Wandsbek einige Nachforschungen anstellen.«
    »Die Frau in Männerkleidern, die seit Wochen schon auf dem Berg zur Schau gestellt wird? Man sagt, wie ich hörte, dass sie mit einer anderen Frau verheiratet gewesen sein soll, diese aber dann mit einem Messer fast getötet habe. Sprecht Ihr von dieser Frau?«
    »Ja, von dieser Frau. Sie wählte das Leben als Mann, um nicht zu verhungern und selbst zu entscheiden, was sie tat oder ließ. Nun, Ihr seht, wohin sie das geführt hat.«
    »Zu Messerstecherei und Mord, wollt Ihr sagen?«
    Wollte Wrangel das sagen? Seine Schläfen pochten immer noch. Was wollte er überhaupt zu Ruth sagen?
    »Aber warum hat sie eine Frau geheiratet, wenn sie frei sein wollte? Damit begab sie sich doch in die größte Abhängigkeit. Die Frau musste ja ihr Geheimnis erfahren und es im Zweifelsfalle gegen sie verwenden. Glaubt Ihr, dass es vielleicht deshalb zu diesen schrecklichen Ereignissen kam?«
    Wrangel horchte auf. Auf diesen Gedanken war er noch überhaupt nicht gekommen. Vielleicht hatte Bunk tatsächlich allen Grund, gewalttätig zu sein, um sich selbst zu schützen. »Wieso muss sie es denn gegen sie verwenden? Warum lebten sie nicht einfach friedlich miteinander?«
    »Das frage ich Euch. Ihr seid der Anwalt.«
    »Wie es scheint, wurde meine Mandantin

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