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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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die Augen und blickte an eine weißgekalkte Decke. Wo war er? Wrangel versuchte sich aufzurichten, aber stechende Schmerzen in seiner Brust und seinem Kopf zwangen ihn zurück auf sein Lager. Er lag auf einem Strohsack, bemerkte er jetzt. Wo war sein Hemd? Erneut zog ein Schwaden Bratenduftes in seine Nase. Dann öffnete sich eine Tür, und Schritte schwerer Holzpantinen hallten ihm entgegen.
    »Oh, Ihr seid aufgewacht, Prokurator. Ich werde den Meister holen.«
    Wrangels rechte Seite schmerzte. Ihm war, als steche ihm mit jedem Atemzug ein Messer in die Seite.
    »Wrangel, mein Junge, wie fühlt Ihr Euch?« Asthusen trat an das Bettlager und legte seine große kühle Hand auf Wrangels Stirn.
    »Meister Ismael, was ist passiert? Warum …?« Weiter kam er nicht, da seine Lippen geschwollen und verklebt waren.
    »Schsch. Lasst das Sprechen lieber noch eine Weile sein. Kurt, mein Knecht, der sich um die Abdeckerei kümmert, hat Euch in einer Gosse am Neuen Markt gefunden. Ihr wart in einem erbärmlichen Zustand. Zum Glück erkannte er Euch und zögerte nicht, Euch zu mir zu bringen. Man hat Euch übel zugerichtet.« Asthusen nahm seine Hand von der Stirn und griff Wrangels Handgelenk. »Das Fieber ist noch da, aber nicht mehr so hoch wie heute früh.«
    »Was …?«
    »Nicht sprechen, Wrangel. Eure Lippen und die Wange sind aufgeplatzt. An Eurem Hinterkopf klafft ein großes Loch, auf der rechten Seite habt Ihr ein paar Rippen gebrochen, und eine Schulter war Euch ausgerenkt.«
    Wrangel schloss die Augen und fuhr sich mit seiner Zunge durch den Mund. Auf der rechten Seite wackelte ein Zahn. Er schluckte vorsichtig.
    Asthusen legte ihm einen feuchten Lappen auf die Stirn und zog die Decke über die Brust. »Ihr habt Glück gehabt, Wrangel. Ich hab Euch nach bester Kunst zusammengeflickt. Ihr wisst, dass mein Ruf nicht nur als Scharfrichter, sondern auch als Chirurg ein guter ist. Das Loch am Hinterkopf konnte ich Euch flicken und mit einem heilsamen Kräuterverband versorgen. Auch die aufgeplatzte Wange habe ich mit einer meiner geheimen Heiltinkturen behandelt. Die Schulter haben Jürgen und ich Euch schon gestern Abend wieder eingerenkt. Zum Glück seid Ihr jung und von gesundem, kräftigem Körperbau. In ein paar Tagen sollte wenigstens die Schulter Euch keine Plage mehr bereiten. Die Rippen allerdings machen mir Sorgen, da ich nicht tasten konnte, ob sie Euch im Inneren verletzt haben. So habe ich sie nur leicht bandagiert und rate Euch zu größter Ruhe, damit sie heilen können.«
    »Aber wie kam ich dorthin?«
    »Ihr seid wohl überfallen und ausgeplündert worden. Mantel, Sack und Stiefel waren nicht mehr zu finden, als Kurt Euch entdeckte.«
    Wrangel versuchte sich an die Ereignisse zu erinnern, aber sein Kopf dröhnte und erlaubte keinen klaren Gedanken.
    »Die Bunk hat nicht schlecht gestaunt, als Jürgen ihr heute früh erzählte, wo und wie man Euch fand, wart Ihr doch wohl ihretwegen zum Neuen Markt gegangen, nicht wahr?«
    Einige Bilder huschten an Wrangels innerem Auge vorbei. Die Kammer mit der lockeren Diele und die kleine Geldbörse, die er daraus hervorgeholt hatte. Die steile Stiege, die er im Dunkeln herab musste. Doch an mehr konnte er sich nicht erinnern. »Ich muss …«
    »Ihr müsst liegen bleiben und Euch ausruhen. Ich habe bereits Jürgen zum Niedergericht geschickt, damit er den Prätor in Kenntnis um Euren Zustand setze.«
    »Ich muss etwas essen.«
    Asthusen grinste breit. »Da habt Ihr wohl meinen Braten gerochen, was? Ich bring Euch gleich eine Suppe mit ein paar ordentlichen Stücken Fleisch. Doch weiß ich nicht, ob Ihr das schon werdet kauen können.«
    Nachdem Wrangel mit Asthusens Hilfe eine Schüssel kräftiger Brühe getrunken und auch einige kleinere Brocken Fleisch heruntergewürgt hatte, fiel er ermattet zurück auf sein Lager. Wie fürsorglich dieser Mann doch war, wie bedacht er mit Wrangels Verletzungen umging, obwohl sein eigentliches Handwerk das gezielte Zufügen von Qualen, Schmerzen und Verletzungen war, das er ebenso mit größter Sorgfalt und Prägnanz verrichtete. Asthusens Fähigkeiten, das Richtschwert mit sicherer Hand und enormer Kraft zu führen, waren weit über Hamburg hinaus bekannt. Noch nie war es ihm passiert, einen Kopf nicht gleich beim ersten Schlag vom Leib zu lösen. Doch genauso berühmt war er als Heilkünstler. So mancher Bürger der Stadt schickte nach ihm nicht nur, wenn er sich einen Bruch zugezogen, sondern auch, wenn innere Leibesqualen ihn

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