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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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peinigten. Er hatte Wrangel einmal bei einem Bier in seiner Schankstube erzählt, dass die Asthusens ein altes Henkersgeschlecht seien und schon sein Vater und sein Großvater Hamburg als Scharfrichter gedient hätten. Zu ihrer Tradition gehörte es, nicht nur die Fähigkeiten in der Folterkammer und auf dem Richtplatz, sondern auch die chirurgischen Praktiken und andere Heilkünste sorgsam von den Vätern an die Söhne weiterzugeben. Umso trauriger war Asthusen, dass er selbst keine Familie hatte gründen können, weil sich einfach kein Weib fand, das bereit gewesen wäre, ein Leben am Rand der Gesellschaft mit ihm zu führen, selbst auf die Gewissheit hin, dass die Speisekammer stets gut gefüllt und der Ofen warm sein würde. So lebten auch in Asthusen zwei Seelen, wie Ruth es genannt hatte: die des Henkers und die des Heilers.
    Ruth! Was würde sie sagen, wenn sie hörte, was ihm widerfahren war? Beim Gedanken an sie breitete sich eine wohltuende Wärme in seinem Körper aus, als streichelten sanfte Hände sein Inneres. Vielleicht lebten ja auch in ihm zwei Seelen. Und nicht, wie Claussen behauptet hatte, nur ein verbissener, durch und durch der Juristerei verschriebener Gelehrter. Während er versuchte, sich seine zweite Seele auszumalen, schlief Wrangel ein.
    Es dämmerte bereits, als er aufwachte, weil sich jemand an seinem Kopf zu schaffen machte.
    »Na, wie fühlt Ihr Euch inzwischen? Den Wunden an Eurem Kopf zumindest geht es schon besser.«
    »Danke, Meister Ismael. Ihr seid ein guter Mann.«
    Asthusen grinste ein wenig beschämt und reichte Wrangel einen Becher mit einem Kräuteraufguss. »Trinkt das. Es wird das Fieber im Zaum halten und die innere Heilung fördern.«
    »Was ist das?«
    »Das ist ein Gemisch aus Arnika, Silbermantelkraut, Blutkraut, Schwarzwurz, Sanikel, Schöllkraut, Mutterkraut, Schafgarbe, Eichenrinde und noch ein paar geheimen Dingen aus meinem Vorrat. Verzieht nicht das Gesicht, sondern trinkt. Es ist nach einem Rezept meiner Urgroßmutter gemischt, das ich Euch bei aller Freundschaft aber nicht verraten werde.«
    Der Aufguss schmeckte bitter, aber Wrangel trank ihn gehorsam bis zur Neige.
    »Ich muss mit Bunk sprechen, Meister Ismael. Könnt Ihr sie herbringen? Nur für einen Augenblick, bitte.«
    Asthusen brummte etwas von Ruhe und Genesung, machte sich dann aber auf den Weg. Fünf Minuten später kam er mit Bunk, die an Händen und Füßen gefesselt war, zurück. Sie starrte ungläubig auf den Verletzten.
    »Was ist Euch passiert?«
    »Das würde ich auch gern wissen, Bunk. Ich war in deiner Kammer, fand, was du mir zu suchen aufgabst, hatte das Haus kaum verlassen, als zwei Kerle über mich herfielen.«
    Das Sprechen fiel Wrangel sichtlich schwer. Bunk verzog das Gesicht, sagte aber nichts.
    »Sie haben mitgenommen, was sie tragen konnten: Stiefel, Mantel, meine Börse und auch deine. Alles weg. Es tut mir leid.«
    »Wie sahen die Kerle aus?«, fragte Bunk ohne Umstände.
    Wrangel seufzte verzerrt durch seine verkrusteten Lippen. »Ich weiß es nicht, es war dunkel. Groß und bullig waren sie. Der eine hatte blondes Haar.« Wrangel versuchte sich den Mann wieder vor Augen zu rufen. Da fiel sein Blick auf einen ledernen Knopf, der auf einem Hocker neben seinem Bett lag. Ja, er hatte den Mann am Wams gepackt und musste ihm dabei wohl den Knopf abgerissen haben. »Der Blonde trug ein ledernes Wams. Einen Knopf hab ich ihm abgerissen. Er liegt hier auf dem Hocker.«
    Bunks Blick verfinsterte sich, als sie den Knopf musterte.
    »An mehr kann ich mich nicht erinnern. Aber sag mir, wirst du trotzdem deine Aussage widerrufen, ich meine, auch wenn dein Geld weg ist?«
    Bunk schaute schweigend zum Fenster.
    »Bitte, Bunk, denk an dein Leben. Das mit dem Geld wird sich schon regeln lassen.«
    Wrangel musste husten. Seine Brust brannte, und er meinte beinahe ersticken zu müssen. Asthusen schob Bunk zur Seite und half ihm, sich ein wenig aufzurichten, um dem Hustenreiz entgegenzuwirken. Dann schlug er die Decke zurück, löste den Verband über der rechten Seite und wischte mit einem feuchten Tuch eine dicke verkrustete Kräuterauflage ab. Er nahm eine kleine Schlüssel, die mit einem grünen Brei gefüllt war, und strich ihn in dicken Schichten über die blauschwarz geschwollene Haut.
    »Was ist das?«, stöhnte Wrangel leise, noch immer mit einem leichten Kratzen im Hals.
    »Ein Kräuterbrei gegen die Prellungen, aus Ringelblumen, Arnika und Kamille. Haltet still.«
    »Wenn Ihr ihn

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