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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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will.«
    Damit war zufällig lauschenden Ohren Genüge getan, und der Frohn schloss hinter Wrangel die Tür.
    »Kommt auf einen Schluck in die Schankstube. Auch wenn das Feuer noch nicht geschürt ist, so wird das Bier schon wärmen.« Mit gebeugtem Kopf und herabhängenden Schultern,ganz untypisch für diesen sonst so lebendigen Mann, schlurfte Asthusen durch den Raum, wies seinem Gast den geräumigsten der drei Tische in der kleinen Schankstube und machte sich grummelnd und räuspernd mit zwei Krügen an einem Bierfass zu schaffen.
    Wrangel setzte sich und wischte mit dem Ärmel eine ordentliche Lage Staub vom Tisch. »Nun, Meister Ismael, wie geht es Euch und was macht das Geschäft?«
    »Dem einen wie dem anderen geht es schlecht. Aber wie soll es einem Scharfrichter auch gutgehen in einem so mageren Jahr wie diesem? Prätor Wilken bringt immer weniger Verbrecher zu mir aufs Schafott.«
    Wrangel lächelte säuerlich bei dieser Bemerkung. Er selbst war nur froh, nicht zu oft hinaus nach St. Georg zum Richtplatz zu müssen.
    »Dabei ist es ja nicht so, dass keine Verbrechen mehr passierten. Diebstahl und Schlägereien, wohin man schaut. Auch der Schmuggel nimmt nicht ab, glaubt man dem, was die Leute so reden.«
    »Nun malt die Lage nicht zu schwarz, Meister Ismael. Euer Kerker ist gefüllt, und das Bier fließt auch noch, wie ich sehe«, grinste Wrangel aufmunternd dem Henker zu, als dieser einen schäumenden Bierkrug vor ihm auf den Tisch stellte.
    »Gefüllt mit armen Hungerleidern, ja, für die der Prätor nicht aufkommen will und die er mir deshalb hier reinsetzt. Dabei sind sie kaum ein Fall für den Henker. Die arme Alte, bei deren Verteidigung Ihr zu helfen habt, ist so dünn, dass der Wind durch ihre Rippen fegt. Weil sie vor Hunger ein Brot vom Wagen des Bäckers nahm, sitzt sie nun hier. Und ich muss für sie aufkommen, sie füttern, damit sie nicht umfällt, bis das Gericht endlich ihren Fall verhandelt.«
    »Was die Alte angeht, so habe ich was für Euch.« Wrangel schob Asthusen ein kleines Bündel mit einem Laib Brot, drei Eiern und einer Speckschwarte zu. »Am Montag wird das Urteil über ihren Fall verkündet. Bringt sie darum bitte zur neunten Stunde zum Gericht.«
    Asthusen legte das Bündel auf den Schanktisch und brummte zustimmend. Dann setzte er sich zu Wrangel, trank einen Schluck Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. »Auch die Schankstube läuft nicht. Wer will auch beim Henker trinken, wenn es kein ordentliches Spektakel auf dem Richtplatz gibt, über das man bei ihm Einzelheiten hören kann? Ihr seht selbst den Staub auf den Tischen.« Missmutig wischte er über die Tischplatte. »Sechshundert Mark lübisch ist mein jährliches Salär, wie Ihr als Mitglied des Gerichtes wisst, wovon die Verpflegung der Gefangenen, die Folter, die Hinrichtungen und der Unterhalt der Frohnerei zu bestreiten sind. Auch meine Abdecker- und Hundefängerdienste sind damit entlohnt. Dann hab ich noch all die laufenden Dienste bei Gericht zu verrichten, die Anwesenheit bei Urteilssprüchen, die Beschreiung aufgefundener Mordopfer sowie die Reinhaltung und das Lüften des Niedergerichts. Und als wollte man mich demütigen, besteht der Rat immer noch auf der alten Tradition, dass ich nach getaner Arbeit das Gebäude wie ein Einbrecher durch ein Fenster kletternd verlassen muss.« Grimmig spuckte er auf den mit Sägespänen bedeckten Holzboden der Schankstube.
    Wrangel nickte, obwohl ihm das Lamentieren ein bisschen lästig war. Soweit er wusste, war noch kein Henker verhungert, schon gar nicht, wenn er einen so guten Ruf in seinem Metier hatte wie Asthusen. Aber Jammern gehörte offenbar auch bei wohlbestallten Scharfrichtern zum Geschäft.
    »Kommt kein extra Geld herein, sei es durch den Verkauf derhingerichteten Körper an die Angehörigen oder an den städtischen Physikus, der sie dann vor zahlenden Schaulustigen öffentlich seziert, wird es karg an meinem Tisch. Dann reicht es gerade so für mich und meine drei Knechte. Manchmal möchte ich schon den Knecht für die Abdeckerei entlassen, so faul ist er. Aber was soll aus ihm werden ohne mich? Dabei schlägt die Reinigung der Abdeckergrube mit hundert Mark im Jahr zu Buche, und mit der Säuberung von privaten Abtritten könnte er, wäre er fleißiger, seinen Unterhalt fast selbst erwirtschaften. Ach, was red ich Euch wie ein Weib von meinen Sorgen um das Geld, als wär’s das Einzige, was einen Mann im besten Alter

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