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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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bemerkt.«
    Nachdenklich schaute Wrangel Asthusen an und versuchte sich einen Reim auf seinen Spruch zu machen. »Wenn niemand die Frau erkannte und sie auch niemand vermisste«, folgerte erschließlich, »dann kam sie nicht von hier. Wenn aber auch der Kopf fort ist, der Teil des Körpers, versteh ich Euch richtig, mit dem am meisten Geld zu machen ist …«
    »… nicht nur Geld«, unterbrach ihn Asthusen, »auch medizinischer Nutzen zu erreichen ist.«
    »Ja, auch medizinischer Nutzen«, fuhr Wrangel fort, »dann liegt es doch nahe, dass der Mörder nicht von hier kommt und den Kopf einfach mitnahm.«
    »Ihr seid der Prokurator, Wrangel …«
    In diesem Moment flog die Tür zur Schankstube auf, und Jürgen, der grobschlächtige Meisterknecht, kaum jünger als Asthusen selbst, stand breitbeinig im Rahmen.
    »Nun, Jürgen, was gibt es Neues?«, grüßte ihn Asthusen aufmunternd.
    »Wir bekommen noch einen … äh, ich meine, eine Gefangene, Herr.«
    Der Henker zog eine Augenbraue hoch. »Soso. Ich hoffe bloß, es ist nicht wieder jemand, der nur eine Birne gestohlen hat. Welches Delikt wird ihr zur Last gelegt?«
    Verschämt nickte der Meisterknecht zum Prokurator hinüber und fuhr dann aufgeregt fort. »Es heißt, sie habe im Hannoverschen ihre Frau mit einem Messer am Bauch verletzt. Weil das Opfer aber aus Hamburg kommt, hat sich das hiesige Gericht der Sache annehmen müssen, denn die Angehörigen haben sie hier vor den Richter gezerrt.«
    Asthusen stutzte. Jürgen war ein guter Meisterknecht, auch wenn er sich nicht durch Klugheit auszeichnete, aber wirres Zeug zu reden passte nicht zu ihm. »Was sagst du da? Ein Weib hat ihre Frau mit einem Messer verletzt? Was erzählst du uns für einen Unsinn?«
    »Ich sage Euch die Wahrheit. Es ist ein Weib, das wohl Jahrewie ein Mann gekleidet gelebt hat – wenn ihr mich fragt, um ihre Spitzbübereien und ihr unehrliches Gewerbe besser verbergen zu können …«
    »Jürgen«, fuhr Asthusen verärgert dazwischen. »Herauszufinden, warum jemand etwas tut, ist Sache des Gerichtes. Wir sind dafür da, um danach das Urteil zu vollstrecken. Also, worum geht es?«
    »Das Weibsstück hat in jeder Hinsicht als Mann gelebt. Stellt Euch vor: Sie soll sich der Frau fleischlich haben nähern wollen. Als diese sie zurückwies, sei ihr Ehemann, ich meine diese Frau, die Schandmetze , so in Wut geraten, dass sie sie, ich meine jetzt die richtige Frau, also ihre Ehefrau, mit einem Messer am Bauch geritzt hat, um sie gefügig zu machen.«
    Asthusen blickte zweifelnd zu Wrangel hinüber, der ebenfalls ungläubig auf den aufgeregt plappernden Mann starrte, und stutzte dann seinen Knecht zurecht.
    »Ein Weib, das sich mit einem Weib verheiratet hat und sich diesem fleischlich nähern wollte, wie soll das gehen ohne … Außerdem, wie ist denn bitte ein solches Verbrechen, das irgendwo weit vor den Toren Hamburgs geschah, hier zur Anzeige gekommen? Prätor Wilken hat doch genug damit zu tun, sämtlichen Lumpen in der Stadt so viel Respekt einzuflößen, dass es für uns kaum etwas Richtiges zu tun gibt!«
    Die Miene des Meisterknechtes erhellte sich, da er wusste, wie die Zweifel seines Herrn zu zerstreuen waren. »Das Weib, also, die sich als Mann verkleidet hat, ist nach der Tat wieder nach Hamburg zurückgekehrt und hat sich auf einer Bude am Neuen Markt eingemietet. Nachbarn erzählten der Mutter des Opfers, dass sie den Mann, der ihre Tochter habe sitzenlassen, dort gesehen hätten.«
    »Aha, die Mutter ist dann also zum Prätor gegangen und hatAnzeige erstattet.« Asthusen überschlug blitzschnell, ob dieser Fall wieder Leben in sein Geschäft bringen könnte. »Habt Ihr davon gehört, Prokurator Wrangel?«
    »Kein Wort, Meister Ismael.«
    »Prätor Wilken«, platzte Jürgen dazwischen, »wollte den Fall zuerst auch nicht weiterverfolgen, da die Tat nicht in der Stadt begangen wurde, auch keiner von den Beteiligten Bürger ist. Aber die Familie des Opfers erschien mit einer solchen Menge neugieriger Nachbarn vor dem Niedergericht, dass er um einen Tumult fürchten musste. Außerdem hatten sie schon die Stadtwache benachrichtigt, und die hat das Weib, also den Ehemann, gefangen gesetzt und zum Gericht geführt.«
    Der Meisterknecht machte eine Pause, um angestrengt nachzudenken, ob er nicht etwas Wichtiges ausgelassen hatte.
    Wrangel schaute vom Knecht zum Henker. Bei allem Wirrwarr in Jürgens Erzählung war ihm doch klar, dass dieses Ereignis für einigen Aufruhr am Niedergericht

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