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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Sterbenden irrer und winselnder und die Johlerei der Leute auf dem Platz lauter.
    Wrangel schloss angewidert die Augen und versuchte seine Sinne und Gedanken umzulenken. Immer wieder warf er einen Blick zu Wilken herüber. Der schien sich seit Bunks Tod nicht mehr bewegt zu haben, so als ob ihr Todesstoß auch der seinige gewesen war.
    Es dauerte noch eine knappe Stunde, bis die beiden Räder mit den Frauenleichen auf einen Scheiterhaufen geworfen und entflammt und das Rad mit Jähners Gebeinen auf einen hohen Mast gezogen war, wo er den schon seit Stunden über dem Platz kreisenden Krähen als Futter dienen würde.
    Als das Urteil vollstreckt war, trat der Scharfrichter vor den obersten Richter Moller und bat demütig um die Bestätigung der ordentlichen Ausführung seines Amtes. Kaum war diese ausgesprochen, machten sich die Männer des Gerichtes von der Tribüne auf und kehrten in zeremonieller Formation unter den Rauchschwaden der Scheiterhaufen zurück in das Rathaus, umdort den Vollzug zu berichten und das die Strafprozedur abschließende Mahl einzunehmen.
    Im Rathaus war bereits ein Tisch aufgebaut, auf dem sich der Extralohn für den Scharfrichter häufte: zehn Pfund gekochtes Rindfleisch und zehn Pfund gebratenes Kalbfleisch samt Fleisch- und Bratenbrühe sowie den Töpfen und Pfannen, in denen das Fleisch zubereitet worden war. Zusätzlich erhielt er noch pro gerichteten Kopf zehn Mark lübisch, da eine einwandfrei abgelaufene dreifache Räderung eine besondere Leistung war.
    Wrangel betrachtete den Tisch im Vorbeigehen. So war Asthusen auf jeden Fall auf seine Kosten gekommen und hatte das gute Essen, das er Bunk in den letzten Wochen hatte zukommen lassen, mehrfach wieder hereinbekommen.
    Im Ratskeller herrschte eine erleichterte, nahezu fröhliche Stimmung an den Tischen der Ratsherren. Die Hinrichtung war reibungslos verlaufen und das Volk zufrieden. Die Bediensteten trugen große Platten gebratenen Fleisches auf. Es roch wie das verbrannte Fleisch der Gerichteten. Wrangel wurde wieder übel. Aber es half nichts, er hatte an diesem Essen teilzunehmen, wie es die Tradition forderte.
    Nachdem allen aufgetan war, hob der Erste Bürgermeister Moller sein Glas auf den erfolgreichen Abschluss von Prätor Wilkens Fall und nickte ihm wohlwollend zu. Wilken, der dem Bürgermeister gegenübersaß, erwiderte die Geste, aber sein Gesicht war immer noch starr und blass. Als sich Wrangel fünf Minuten später erneut nach ihm umsah, war der Prätor verschwunden.

Montag, 11.  Januar 1702
68
    E in eisiger Wind schnitt Wrangel ins Gesicht, als er sich noch in der Dämmerung zum Niedergericht aufmachte. Zerzauste Wolkenfetzen zogen über die Stadt hinweg, nur vereinzelt war der graublaue Morgenhimmel zwischen ihnen zu sehen. Es war noch recht früh für das Gericht, aber Wrangel war unruhig und hoffte sich bei einem kleinen Spaziergang zu sammeln.
    Den Sonntag hatte er nach dem Gottesdienst weitestgehend zu Hause verbracht und auf eine Nachricht von Abelson gewartet. Stundenlang hatte er in Thomasius’ Schriften gelesen, zuerst noch einmal in De crimine bigamiae , das er auch für seine Verteidigungsschrift von Bunk herangezogen hatte. Dann widmete er sich der Magisterarbeit von Johann Reich über das Verbrechen der Zauberei. Thomasius persönlich hatte ihm eine Abschrift zukommen lassen, nachdem er ihm während seiner Zwangsbeurlaubung durch Prätor Wilken in einem Brief darum gebeten hatte. Es war eine gute Arbeit, der man die geistige Leitlinie von Thomasius in jedem Absatz anmerkte. Doch letztlich hatte ihn die Lektüre nur noch mehr aufgewühlt, weil sie ihm die juristischen Fragwürdigkeiten bei dem Urteil über Bunk und die beiden anderen erneut vor Augen führte.
    Er lief im Zickzack durch die Straßen und Gassen, um all jeneWege zu meiden, die der Hinrichtungszug vor zwei Tagen genommen hatte. Als er den Fischmarkt überquerte, um in die Große Reichenstraße zu kommen, fielen ihm Leute auf, die aufgeregt die Köpfe zusammensteckten.
    »Ja, fast wieder an der Stelle, wo damals die Schafe lagen! Direkt im Wallgraben beim Grasbrook. Ein Jud soll er sein. Der Brookvogt meint, es wäre ein Unfall. Aber das glaubt doch keiner mehr. Auch soll sein Schädel ganz eingeschlagen sein.«
    Wrangel wurde mulmig, als er die Worte des alten Fischhändlers hörte, der die anderen über die Neuigkeiten aufklärte. »Was redet ihr da über eingeschlagene Schädel, gute Leute?«
    »Man hat heute früh einen Toten im Wallgraben

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