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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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zu sein.
    Allein in Abelsons Arbeitszimmer, setzte sich Wrangel innerlich erschlagen auf einen Stuhl neben dem Globus und brach vorsichtig das Siegel des Briefes in seiner Hand. Als er ihn auseinanderfaltete, fiel ihm ein kleinerer, ebenfalls versiegelter Brief entgegen. Er war an Ruth adressiert. Wrangel legte ihn zur Seite, um zuerst Abelsons Schreiben an ihn zu lesen.
    Hochverehrter Prokurator Wrangel, geschätzter Freund,
    wenn Euch meine Tochter diesen Brief übergibt, heißt das, dass ich nicht mehr am Leben bin. Es heißt aber auch, dass die alte biblische Regel, Auge um Auge, Zahn um Zahn, sich erfüllt haben wird. So hoffe und bete ich zumindest inständig.
    Ich bitte Euch um äußerste Vorsicht und um Bedacht bei allem, was Ihr von nun an in unserer Sache weiter unternehmt, um nicht nur Euch, sondern auch und vor allem meine Tochter zu schützen.
    Ihr habt mir in den letzten Wochen viel Vertrauen entgegengebracht, indem Ihr Euch vorbildlich zurücknahmt und mich im Verborgenen handeln ließet. So bin ich Euch nun, bei der letzten mir verbleibenden Gelegenheit, eine Erläuterung meines Handelns schuldig.
    Dank meiner Kontakte nach London ist es mir zusammen mit vertrauenswürdigen Freunden gelungen, Hieronymus Wilken dazu zu bringen, ein Geisterschiff zu kaufen. So nennen wir Schiffe, die untergegangen sind, was aber noch nicht bekannt ist. Es gelang uns, ihn zum Kauf der Fleute Voetboog für den Vorzugspreis von 400 000 Goldgulden zu animieren, die mit einer höchst kostbaren Ladung von 595  Tonnen im Wert von 533 251 Goldgulden von Batavia aus unterwegs war. Das vorherige Eigentümerquartett war angeblich aufgrund anderer Verpflichtungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten und darum zu einem Verkauf weit unter Wert bereit. Wilken investierte sein gesamtes Vermögen sowie einen beträchtlichen Teil des Vermögens seines Bruders in dieses Geschäft. Dank guter Verbindungen und treuer Freunde gelang es uns, ihm fingierte Botschaften über die Route und das baldige Eintreffen der Voetboog in Hamburg zukommen zu lassen. Ihr dürft dabei nicht schlecht von uns denken, aber Wilken gehörte 1697 zu den entschiedensten Befürwortern und Antreibern einer neuen Besteuerung der Juden in Hamburg, die unsere kleine Gemeinde 50 000 Mark lübisch gekostet hat. Die Nachricht vom Sinkender Voetboog sollte Wilken am Samstag während der Hinrichtung ereilt haben.
    Trotz aller Vorsicht und Sorgfalt scheint es mir nicht gelungen zu sein, sämtliche Spuren gründlich zu verwischen. Ich fürchte, Wilken ist dahintergekommen, dass die Gutachten und Finanzierungsgelder für dieses Geschäft über mich abgewickelt wurden. Niemand anders hätte ich dieser Gefahr aussetzen können. So muss ich mit seiner Rache rechnen. Denn vor einer knappen Stunde erreichte mich die mündliche Nachricht, überbracht von einem großen blonden Kerl, der sich als Peter Ohlrogge vorstellte, dass der Senator Wilken mich in einer dringenden Angelegenheit sprechen wollte. Ihr werdet verstehen, dass ich diese Bitte nicht abschlagen konnte, denn sollte er mich nicht verdächtigen, würde er es spätestens dann tun.
    Darum bete ich zu Gott, dass er mir beistehe, meine Tochter und Euch beschütze und dieser Brief Euch hoffentlich niemals erreichen muss, sondern wir beide in Kürze gemeinsam bei einem Glas Portwein eine angeregte Unterhaltung haben werden.
    Wenn er Euch aber doch erreicht, junger Freund, so bitte ich Euch aus der Tiefe meines Herzens: Kümmert Euch um Ruth und helft ihr in dieser schweren Zeit. Für meine Tochter ist ein beachtliches Vermögen bei meinem Freund Isaak Wiesenthal in Amsterdam angelegt. Sie soll darüber frei verfügen und genauso frei über ihr künftiges Leben entscheiden können. Gebt Ihr bitte den beigefügten Brief, damit sie in meiner Handschrift diesen meinen Willen erfahre.
    Nun seid so gut und vernünftig und verbrennt diesen Brief im nächsten Feuer, das Ihr erreichen könnt, damit Ihr von jedem Zeugnis der Mitwisserschaft verschont bleibt.
    In tiefer Verbundenheit,
    Euer Moses Abelson
    Sorgfältig faltete Wrangel den Brief zusammen und strich über das Siegel. Leise öffnete sich die Tür, und Claussen trat zusammen mit Ruth in das Arbeitszimmer.
    »Ihr habt den Brief meines Vaters gelesen?«
    »Ja.«
    Ruth sah Wrangel erwartungsvoll an.
    »Lest ihn am besten selbst. So werdet Ihr Euer eigenes Urteil fällen können.« Er reichte ihr den zusammengefalteten Brief. »Euer Vater legte auch noch ein weiteres Schreiben

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