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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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gefunden, Herr.«
    »Und was soll da geschehen sein?«
    »Der Brookvogt sagt, es war ein Unfall. Er hat die Leiche fortbringen lassen.«
    »Wisst Ihr, wer es gewesen ist?«
    »Es war wohl ein alter Mann, Herr.« Der Fischhändler musterte Wrangel argwöhnisch. »Mehr weiß ich auch nicht.«
    Wrangel bedankte sich kurz und ging eilig die Große Reichenstraße hinunter in Richtung des Niedergerichtes. Dort hatten sich schon mehrere Leute vor der Tür eingefunden und warteten wohl auf Neuigkeiten über den Toten. Die Röper hielten sie vom Eingang fern. Wrangel schob sich an ihnen vorbei und betrat das Gericht. Wilken war noch nicht da. Prätor Garsmann redete mit dem Brookvogt und warf Wrangel nur einen kurzen Blick zu. Die anderen Prokuratoren standen beisammen und unterhielten sich leise. Wrangel zögerte einen Moment, dann ging der auf Garsmann zu und lauschte dem Bericht des Brookvogtes.
    »Wie ich schon eingangs sagte, Herr Prätor, es sieht mir ganznach einem unglücklichen Unfall aus. Der Mann wird auf dem Wallweg ausgerutscht und in die Tiefe gestürzt sein.«
    Garsmann nickte bedächtig. »Das hört sich für mich doch nach einer wahrscheinlichen Erklärung an. Da Prätor Wilken nicht anwesend ist und ich die Leitung hier übernehme, gedenke ich, mich Eurer Beurteilung anzuschließen, Brookvogt.«
    »Verzeiht die Einmischung, aber darf ich nachfragen, was passiert ist? Die Leute auf den Straßen sprachen von einem Toten im Wallgraben.«
    »Ja, Prokurator, das ist richtig. Der Brookvogt berichtete mir soeben, dass ein alter Mann auf dem kleinen Weg entlang der Wallanlage gestürzt ist und dabei unglücklicherweise zu Tode kam.«
    »Um wen handelt es sich dabei?«
    »Ein alter Jude, Moses Abelson ist wohl sein Name, soweit der Brookvogt es herausfinden konnte.«
    Wrangels Magen krampfte sich zusammen. Abelson war tot! Der Fischhändler hatte von einem eingeschlagenen Schädel gesprochen. Davon, dass Abelson allein auf dem vereisten Wallweg spazieren ging, war selbst bei wenig Menschenverstand nicht auszugehen. Das war kein Unfall, sondern ein Mord!
    »Ihr werdet doch eine Untersuchung einleiten, Prätor Garsmann, nicht wahr?«
    »Nein, Prokurator. Die Umstände sind sehr klar und weisen auf einen tragischen Unfall hin.«
    »Aber ein alter Mann geht doch nicht allein außerhalb der Stadtmauer auf dem vereisten …«
    »Prokurator Wrangel, ich bitte Euch. Der Brookvogt hat sich bereits um alles gekümmert. Bei dem Toten handelt es sich doch nur um einen alten Juden.«
    »Moses Abelson ist ein bedeutender Bankier in Hamburg, Prätor Garsmann, das solltet Ihr als Senator eigentlich wissen.«
    Garsmann warf Wrangel einen scharfen Blick zu. »Ihr kennt den Mann, Wrangel? Verkehrt Ihr mit Juden?«
    Wrangel fielen Abelsons mahnende Worte wieder ein. Auf keinen Fall sollte er sich mit ihm in Verbindung bringen lassen. »Geschäftlich ist er mir bekannt, Prätor Garsmann.«
    »Soso. Aber auch ein jüdischer Bankier kann einem Unfall erliegen, Prokurator Wrangel, zumal in seinem hohen Alter und bei dieser frostigen Witterung. Wendet Eure Aufmerksamkeit lieber Euren tatsächlichen Fällen zu und überlasst dem Brookvogt seine Arbeit.«
    Aufgewühlt wandte sich Wrangel ab und suchte sich einen ruhigen Ort, um über das Geschehene nachzudenken. Abelson hatte ihn gewarnt, dass es gefährlich werden könnte. Dass es auch tödlich enden könnte, hatte er nicht gesagt. Was würde jetzt aus Ruth werden? Wrangel spürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. Er musste zu Ruth, er musste ihr beistehen! Mit einer dünnen Ausrede entschuldigte er sich bei Garsman und verließ das Niedergericht.
    Vor dem Rathaus traf Wrangel auf Syndikus Lorenz. Der sonst so bedachte Mann wirkte durcheinander und eilte auf Wrangel zu.
    »Habt Ihr schon davon gehört, Prokurator?«
    »Ja, Herr Syndikus Lorenz. Ich bin fassungslos.«
    »Ich ebenfalls, junger Mann. Wie kann man so unglaubliche Risiken eingehen und seine ganze Familie an den Rand des Abgrunds führen?«
    »Unglaubliche Risiken?«
    »Wie wollt Ihr es sonst nennen, wenn man sich derart verschuldet, in der Hoffnung, mit einem einzigen grandiosen Geschäft das Zehnfache wieder hereinzuholen?«
    »Wovon sprecht Ihr, Syndikus?«
    »Na, ich dachte, Ihr wisst es bereits. Seit einer halben Stunde spricht man an der Börse von nichts anderem. Prätor Wilken hat das gesamte Vermögen der Familie verpfändet und dazu noch einen Schuldschein unterzeichnet, um eine Fleute zu kaufen, die mit einer

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