Scharfe Pranken
um irgendwelchen Ärger zu machen oder so. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich einfach mit Ric, Lock und Mr. Van Holtz hätte nach Hause gehen sollen, aber …« Sie schaute auf den Boden. »Ich weiß wirklich nicht, wem ich im Moment noch trauen kann. Außer Bo. Er hat mir das Leben gerettet, und ich will alles tun, was ich kann, um dafür zu sorgen, dass er glücklich ist, solange er hier ist.« Sie blickte zur Seite, biss sich auf die Lippe und fügte leise hinzu: »Er war so wundervoll zu mir. Ich habe keine Ahnung, was ich getan hätte …«
Bevor Marci sich überhaupt bewegen konnte, hatte Jezebel bereits ihre Arme um Blayne geschlungen und drückte sie fest an sich.
»Na, na, nicht weinen. Es gibt doch überhaupt keinen Grund für Tränen.«
»Ich hab keine Ahnung, was mit mir los ist.« Blayne löste sich aus der Umarmung und wischte sich mit ihrer Hand über die Augen. »Normalerweise bin ich nicht so gefühlsduselig.«
Äh … ist sie nicht?
»Du hast so viel durchgemacht, Kleines. Ist es da verwunderlich, dass dich schon Kleinigkeiten aus der Fassung bringen?«
Lorna, die zu den eher geizigen Bären gehörte, kam hinter der Theke hervor und reichte Blayne ein Stück Zimtgebäck. Natürlich wusste sie, dass Blayne kein Geld bei sich hatte, doch allein bei der Vorstellung, dass Lorna jemandem etwas schenkte, wurde Marci geradezu schwindelig.
»Iss das, Herzchen. Du brauchst doch Energie, wenn du joggen gehen willst.«
Blayne nahm Lorna das süße Teilchen aus der Hand und lächelte sie an. »Vielen Dank, Ma’am.«
»Und dieses Ma’am lassen wir schön bleiben. So alt sind wir nun auch wieder nicht! Ich bin Lorna. Und das ist Jezebel Simons. Und wenn du irgendetwas brauchst, dann sagst du uns Bescheid, in Ordnung?«
»Vielen lieben Dank.« Blayne schenkte den dreien ein wässriges Lächeln, biss genüsslich in das Gebäck und ging zur Tür hinaus.
»Das arme Ding«, sagte Lorna, als Blayne verschwunden war.
»Ich weiß!«, stimmte Jezebel ihr zu, deren Tonfall sich in den fünf Minuten, in denen das Mädchen im Café gewesen war, komplett verändert hatte. »Ich hoffe nur, dass Grigori Novikov gut auf sie aufpasst.«
»Das sollte er besser«, sagte Lorna und stellte sich wieder hinter die Theke. »Sonst wird er sich vor mir verantworten müssen!«
Blayne ging bis zum Ende der Straße und bog um die Ecke. Ihre Knie wurden vom köstlichen Geschmack des süßen Gebäckstücks in ihrer Hand ganz weich.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Grigori, der an dem Gebäude lehnte und Blayne dabei sehr an seinen Neffen erinnerte.
Wenn Bo auch so gut altert … juhu!
»Genau, wie du gesagt hast.«
»Hast du auch Tränen fließen lassen?«
»Ich hab Gwen damals in der zehnten Klasse gleich gesagt, dass es sich eines Tages auszahlen würde, bei dieser Produktion von Romeo und Julia mitzumachen.«
Er grinste. »Braves Kind. Viel Spaß beim Joggen.« Als er ihr zum Abschied den Kopf tätschelte, fiel ihr wieder ein, dass sie irgendetwas wegen ihrer Haare unternehmen musste. Sie hatte sich zunächst in Grigoris drei Badezimmern umgesehen, bevor sie in die Stadt gegangen war, aber Zwei-In-Eins-Shampoos inklusive Spülung galten innerhalb des O’Neill-Clans als Teufelszeug. Sie musste etwas Besseres finden.
»Ich bin mir sicher, dass ich irgendwo eine Drogerie gesehen hab«, murmelte sie durch einen Mund voll Gebäck. Hatte sie, etwa einen Block entfernt. Sie setzte sich in Bewegung, erstarrte jedoch kurz darauf und drehte sich zu dem Laden um, neben dem sie stand.
Nach einem Moment der andächtigen Stille ging sie hinein und fiel beinahe auf die Knie.
»Was willst du?«, fauchte sie eine Grizzly-Bärin von hinter dem Tresen an, und obwohl Blayne wusste, dass sie absichtlich unfreundlich zu ihr war, kümmerte es sie nicht.
Sie deutete auf die unzähligen Reihen mit Shampoos und Spülungen, die laut des Schilds, das draußen am Laden hing, allesamt aus Honig hergestellt waren. »Ihr Sortiment …«
»Was ist damit?«
»Komplett auf Naturbasis?«
»Selbstverständlich.« Die Bärin klang zutiefst beleidigt. »Keine Silikone, Parabene, Sulfate oder sonst irgendwas, das man sich nicht ins Haar schmieren sollte.«
Und dann fiel Blayne doch auf die Knie, und diesmal strömten echte Tränen über ihre Wangen, als sie zu der misstrauischen Bärin hinaufblickte. »Ich habe mein ganzes Leben lang nach Ihnen gesucht.«
Als Dee das Van-Holtz-Restaurant betrat, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Die
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