Scharfe Pranken
ohnehin nicht besonders wirkungsvoll zu sein schienen.
»Das tue ich auch.« Sie beugte sich nach vorn und setzte ihren »grimmigen« Blick auf. »Aber das kann sich jede Sekunde ändern, Freundchen.«
Scheinbar unbeeindruckt von ihrer Grimmigkeit – dabei hatte sie jahrelang so hart an diesem Blick gearbeitet! – versicherte er: »Ich werd’s mir merken.«
»Wir sehen uns morgen früh«, sagte sie, nachdem sie die Heizung so weit heruntergedreht hatte, wie sie es wagte, ohne eine Lungenentzündung zu riskieren.
»Nacht, Blayne.«
Blayne schloss ihre Schlafzimmertür und zog schnell ihre Thermounterwäsche, eine Jogginghose, ein Sweatshirt und extradicke Wollsocken an. Dann warf sie die Decken auf ihr Bett und verkroch sich darunter.
Während sie in der Dunkelheit saß und aus dem Fenster auf das Ziegelgebäude nebenan starrte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass ein Kerl, den sie nicht besonders gut kannte, in ihrem Wohnzimmer schlief – und dass sie sich noch nie sicherer gefühlt hatte.
In dieser Nacht schlief Blayne mit einem Lächeln ein.
Kapitel 12
Bo öffnete um genau fünfundzwanzig Minuten nach fünf die Augen, aber trotzdem war an diesem Morgen im Vergleich zu den meisten Tagen, an denen er fünf Minuten vor dem Klingeln seines Weckers aufwachte … irgendetwas anders. Nicht anders im Sinne von »Ich habe wegen eines Auswärtsspiels in einem Hotel übernachtet«, sondern anders im Sinne von »Da klammert sich eine Wolfshündin an mir fest«.
Ohne den Rest seines Körpers zu bewegen, sah Bo sich um, um herauszufinden, wo er sich befand. Er lag auf dem Boden. Normalerweise schlief er nicht auf dem Boden, aber nun lag er definitiv auf dem Boden. Außerdem war er komplett angezogen, genau wie Blayne. Tatsächlich hatte sie so viele Klamotten an, dass er mit ziemlicher Gewissheit eine wilde Nacht mit hemmungslosem Sex ausschließen konnte, an die er sich nicht mehr erinnerte.
Was gut war, da Bo sich gerne an seine sexuellen Begegnungen erinnerte. So war die Wahrscheinlichkeit für peinliches Schweigen am Morgen danach geringer, wenn man den Namen seines Partners oder seiner Partnerin vergessen hatte.
Trotzdem erklärte all das nicht, warum er mit Blayne auf dem Boden geschlafen hatte … oder warum sie sich aneinanderkuschelten.
Und man kam nicht umhin, es als Kuscheln zu bezeichnen. Er hatte seine Arme um sie geschlungen, und sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Sie lagen beide auf der Seite, das Gesicht einander zugewandt, und eines seiner Beine lag über ihren. Auch mit den Frauen, mit denen er bislang Sex gehabt hatte, war er nie in dieser Position aufgewacht. Es machte ihm nichts aus, so aufzuwachen. Es beunruhigte ihn nur, dass er nicht mehr wusste, wie es dazu gekommen war.
Als im Schlafzimmer ein Wecker klingelte, stöhnte Blayne, zog ihren Arm zurück und knallte Bo ihre Hand mitten aufs Gesicht.
Während er verdutzt dalag und sich fragte, womit er das verdient hatte, knurrte Blayne: »Aus!« Dann ohrfeigte sie ihn erneut. Als auch das den Wecker nicht zum Schweigen brachte und er im Nebenzimmer weiterklingelte, hob Blayne den Kopf. Blinzelnd riss sie die Augen auf, als sie Bo sah.
»Oh … Hab ich dich etwa gerade geschlagen?«
»Zweimal.«
»Oh. Oh! Es tut mir so …« Dann brach sie in schallendes Gelächter aus.
Bo hielt den verdammten Alarmton nicht mehr aus, zog seinen Arm unter Blayne hervor und stand auf. Er ging ins Schlafzimmer, schaltete den Wecker aus und kehrte seufzend ins Wohnzimmer zurück. Und ja, sie lachte immer noch.
»Steh auf«, sagte er. »Geh duschen und zieh dich an. Wir fahren zusammen in die Stadt.« Er beugte sich nach unten und hob sie vom Boden auf. »Je länger du brauchst, desto mehr bringst du meinen Zeitplan durcheinander.«
»Okay, okay. Kein Grund, so schroff zu werden.« Sie hob erneut die Hände, und Bo wich sofort vor ihr zurück, was sie nur noch mehr zum Lachen brachte. »Ich wollte dich nicht noch mal hauen. Ich schwöre es. Und es tut mir leid wegen deines Gesichts. Ehrlich.« Sie streichelte seine Wange. »Habe ich dich verletzt?«
»Nur meine Gefühle.«
Sie lachte erneut und lehnte sich an ihn.
»So lustig war es auch wieder nicht«, sagte er, obwohl es ihm gefiel, sie zum Lachen zu bringen. »Und jetzt zieh dich an. Die Zeit.« Er tippte zur Bekräftigung auf seine Uhr.
»Okay, okay.«
Eine halbe Stunde später, nachdem Bo die Frau geschoben und geschubst hatte, damit sie sich mit etwas zielstrebigeren Schritten
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