Schatten Der Erinnerung
Francisco hinauffahren, wo sie lebten. Regina beabsichtigte, dort den Rest des Sommers mit ihnen zu verbringen, da sie von Texas genug hatte. Im September jedoch ließe sich das Unvermeidbare nicht länger aufschieben: Sie würde nach Hause zurückfahren und ihrer Zukunft ins Auge blicken müssen.
Regina hatte die schweren goldfarbenen Samtvorhänge geöffnet, um die Landschaft betrachten zu können. Sie fuhren durch hügeliges Land, in dem das wilde Gras von der Sommersonne derart ausgedörrt war, dass es eine zitronengelbe Farbe angenommen hatte. Im Kontrast dazu standen dichte, saftig grüne Eichen über die sanft abfallenden Hügeln verstreut und der Himmel hatte eine unglaublich blaue Farbe. Ab und zu konnte sie einen Blick auf das ausgetrocknete Bett des Salinas River werfen, der sich neben ihnen dahin schlängelte. Regina empfand die Landschaft zwar als rauh, doch atemberaubend in ihrer schier unermesslichen Weite.
»Jemand, der so schön und reizend ist wie Sie, verdient einen Prinzen«, erklärte Mrs. Schroener, die einfach nicht von ihrer romantischen Art lassen konnte oder wollte.
Regina lächelte schwach. Ihr kam es so vor, als sei der Zug jetzt tatsächlich langsamer geworden. »Warum fahren wir langsamer?« Sie langte in ihr Handtäschchen und förderte einen abgegriffenen Zugfahrplan zutage. Vor zwanzig Minuten erst hatten sie in Santa Margarita angehalten, und dem Fahrplan nach dürfte der Zug jetzt nur stoppen, wenn ihn jemand anhielte. »Die nächste Station ist Templeton, aber dafür ist es noch zu früh. Danach kommt Paso Robles.«
»Wahrscheinlich will ein Farmer mitgenommen werden«, meinte Mrs. Schroener. »Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
Regina dachte, dass ihre Begleiterin recht habe, und wollte gerade zögernd wieder Platz nehmen, als sie ein Pistolenschuss davon abhielt.
Ihr Herz setzte fast aus, und sie rang nach Luft. Der Knall des Schusses hallte nach. Er war in einem der anderen, möglicherweise dem nächsten Wagen abgefeuert worden, aus dem sie nun Schreie und angstvolles Weinen hörte.
Mrs. Schroener packte ihre Hand. Ein weiterer Schuss fiel. Die Schießerei fand zweifellos in dem Wagen hinter ihnen statt. Aus dem hysterischen Tumult dort drang das Weinen eines Babys.
Lieber Gott! dachte Regina verzweifelt. Ein Raubüberfall!
Chaos brach im Clubwagen aus. Die Männer sprangen auf und liefen umher, die Frauen waren blass geworden und zitterten vor Angst. Aus dem anderen Wagen krachte ein weiterer Schuss, und ein langgezogener, schriller Aufschrei einer Frau war zu hören, wie ihn Regina niemals zuvor vernommen hatte. Ihr war bewusst, dass nur panische Angst und Schmerz ihn verursacht haben konnten.
In diesem Augenblick stürmte ein Mann mit einer Maske vor dem Gesicht und einem großen Revolver in den Clubwagen. Er schrie: »Niemand rührt sich! Keine Bewegung! Wer nicht stillhält, wird erschossen!«
Regina und Mrs. Schroener standen am anderen Wagenende, alle übrigen Passagiere befanden sich zwischen ihnen und dem Banditen. Regina fröstelte. Sie konnte nicht glauben, was da vor sich ging.
Alle gehorchten dem maskierten Bewaffneten und verharrten regungslos. Die Frauen schluchzten, und auch einer der Männer brach in Tränen aus. Mit roher Gewalt griff der Bandit nach der Person, die ihm am nächsten stand, einer jungen Frau, und riss ihr die Ohrringe herunter. Sie schrie auf, woraufhin der Mann sie ohrfeigte. Regina sah, wie sie gegen die Wand fiel und zusammenbrach. Blut befleckte ihre hübsche, rosaweiß gestreifte Jacke.
Der Bandit beugte sich über sie und riss auch ihre Halskette an sich. Weinend lag die Frau am Boden.
»Vielleicht nehmen wir dich mit«, grinste der Bandit. Auf ihr Schluchzen hin lachte er nur, dann reckte er sich zu gewaltiger Größe empor. Er wandte sich dem Gentleman zu, der ihm am nächsten war, und zerrte einen Geldbeutel aus dessen Hosentasche. Dann ergriff er dessen Taschenuhr.
Als Schock und Fassungslosigkeit nachließen, erbebte Regina. Sie waren Opfer eines Raubüberfalls, der mit entsetzlicher Gewalt vonstattenging. Die Drohung des Banditen gegen die junge Dame klang ihr noch in den Ohren. Sie vermochte kaum zu denken, war wie benommen und starr vor Schreck. Sie bemerkte, dass sich die Tür, die zu der Plattform zwischen diesem Wagen und dem davor führte, dicht hinter ihr befand. Waren auch in diesem Wagen Banditen? Geräusche hatte es von dort noch nicht gegeben. Aber auch wenn dort bisher keine Verbrecher
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