Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
anzutreiben und holt mir damit unbewusst in Erinnerung, dass ich der denkbar schlechteste Freund bin, den man überhaupt haben kann. Zumindest war ich das in der Vergangenheit und bin mir nicht sicher, ob es jetzt wirklich anders ist.
„Danke, Süße“, lächle ich sie trotzdem tapfer an, auch wenn es mir unsagbar schwerfällt und ich mich viel lieber jammernd irgendwo verkriechen würde, was ihr scheinbar keineswegs entgeht.
„Nun schieß schon los“, drängt sie mich deshalb auch sanft, endlich mit der Sprache rauszurücken, und erweckt einen neuerlichen Verdacht in mir, dass sie mich am Ende für völlig bekloppt halten könnte, weil ich so eine Riesensache aus Nichts mache. Aber ehe ich darüber jetzt ausgiebiger nachdenke, und schlussendlich doch wieder alleine mit diesem Problem dastehe, weil ich einen Rückzieher mache, fange ich besser an, ihr einige Dinge zu erklären.
„Ich weiß, dass ich bisher nicht viel über meine Vergangenheit geredet habe, aber irgendwie scheint sie mich momentan einzuholen. Mei ne Großmutter, väterlicherseits, ist schwer krank. Krebs. Sie hat es allen verschwiegen und sämtliche Behandlungsmethoden abgelehnt. Das hat meine Mum mir vorgestern am Telefon mitgeteilt und nun will sie mich noch mal sehen, bevor sie … stirbt. Aber … ich habe Angst wieder in mein altes Leben zurückzukehren, auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Ich habe damals alles einfach so zurückgelassen, meine Familie, Freunde … Marc …“, spüre ich einen dicken Kloß in meinem Hals anschwellen, der mir das Weiterreden unmöglich macht und ich beinahe hektisch einen Schluck Kaffee trinke, als plötzlich Beas Finger ganz behutsam unter meinem linken Auge entlang streichen.
„Nicht“, flüstert sie leise flehend, woraufhin ich unverständlich meinen Blick hebe und sie durch einen Tränenschleier nur unscharf erkenne, der sich allerdings im nächsten Moment auch schon auflöst und eine stumme feuchte Spur über meine Wangen zieht.
„Es tut mir so leid für deine Oma, Schatz, aber bitte nicht weinen, dass ertrag ich nicht“, schlussfolgert Bea meinen sentimentalen Ausbruch völlig falsch, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich mich darüber glücklich schätzen soll. Aber immerhin erspart sie mir mit ihrer Fehlinterpretation, dass ich mich genauer zu meiner Vergangenheit äußern muss.
„Mir tut’s leid, dass ich dir hier was vorheule wie ein Baby. Dabei wollte ich doch nur wissen was ich jetzt machen soll“, wische ich mir mit dem Ärmel meines Pullis unwirsch über meine verräterischen Augen und versuche mich sogar an einem Lächeln, welches nicht wirklich überzeugend, aber dennoch erfolgreich ist. Da Bea es erwidert und irgendwie ziemlich erleichtert wirkt.
„Fahr hin zu ihr, egal was war. Immerhin könnte es deine letzte Chance sein und du würdest dir ganz sicher ewig Vorwürfe machen, wenn du ihr ihren letzten Wunsch verwehrst und wenn es gar nicht geht, dann kommst du einfach wieder zurück“, klingt es aus ihrem Mund so simpel und vollkommen logisch, dass ich über mich selbst nur wieder den Kopf schütteln kann, weil ich so verbohrt und verblendet mit meiner Vergangenheit kämpfe, dass ich das Wesentliche aus den Augen verliere. Und dabei wird mir auch plötzlich klar, dass ich nicht fahren kann, ohne vorher die Sache mit Holger wieder hinzubiegen.
Kapitel 3
Kurz vor fünfzehn Uhr bin ich auf dem Weg zu einem kleinen gemütlichen Café, in dem ich mich heute Vormittag, nachdem Bea wieder weg war, mit Holger verabredet habe und bin wirklich erleichtert, dass er dem Treffen sofort zugestimmt hat. Weil ich ehrlich Bedenken hatte, dass er mir mein seltsames Benehmen der letzten Tage vielleicht doch übel nimmt, auch wenn er die ganze Zeit über das Gegenteil behauptet. Trotzdem ist mir nicht entgangen, wie verletzt er vergangene Nacht vor meiner Wohnungstür stand, weil ich aus einem für ihn nicht ersichtlichen Grund Schluss gemacht habe. Womit sich erneut mein schlechtes Gewissen meldet und mir eindringlich glaubhaft macht, dass ich jemanden wie Holger eigentlich überhaupt nicht verdient habe. Deshalb liegt mir auch besonders viel daran, die ganze Angelegenheit wenigstens zu klären, weil ich ihm das einfach schuldig bin. Sodass ich mir den gesamten Weg zum vereinbarten Treffpunkt bereits die richtigen Worte zurechtlege, um mich vor Holger gleich zu rechtfertigen und hoffe inständig, dass diese Verabredung nicht nach hinten losgeht. Immerhin würde ich es ihm nicht
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