Schatten der Wahrheit
Behandlung warten konnte; diejenigen, die er durch sofortige Hilfsmaßnahmen retten konnte, und diejenigen, denen nicht mehr zu helfen war.
Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging, nur, dass es schlimm war. Das Einzige, was ihm in den Sinn kam, war: zu tun, wofür er ausgebildet war.
Er atmete tief durch. »Alle, die noch gehen können, zu mir.«
Keine Reaktion. Also gab es zumindest in Hörweite keine Leichtverletzten. Er lief weiter und ging neben dem ersten Opfer in die Hocke. Einschusswunden einer Feuerwaffe hatten eine blutige Spur quer über den Körper gezogen. Er versuchte eine Mund-zu-Mund-Beatmung. Ohne jeglichen Erfolg. Er zog einen schwarzen Anhänger aus dem Vorrat in der Seitentasche des Seesacks, befestigte ihn an der Leiche und ging weiter.
Dem nächsten Opfer hatte vermutlich ein Lasergewehr den halben Schädel weggebrannt. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Murchison in die Nase, aber der Mann atmete noch. Diesmal ein roter Anhänger: sofortige medizinische Behandlung, sobald Hilfe eintraf. Falls Hilfe eintrifft. Er verdrängte den Gedanken und setzte seinen Weg fort.
Der dritte Körper lag in einer sich ausbreitenden Blutlache. Ein Arm, an dem noch der sterile Verband zu sehen war, den er am Vormittag angelegt hatte, zuckte schwach. Er kniete sich hin und streckte die Hand aus, um an der Halsschlagader nach einem Pulsschlag zu tasten, dann erstarrte er, als das Geräusch von Schritten an sein Ohr drang. Er schaute hoch. An einem Paar hoher Lederstiefel entlang, vorbei an wohlgeformten Schenkeln in einer dunklen Hose, zu einer Hand mit einer schweren Pistole.
Die Hand hob die Waffe und feuerte. Die Überlebende, um die sich Murchison gekümmert hatte, war keine mehr, und dem MedTech wurde klar, dass er, falls er nicht unglaubliches Glück hatte, ebenfalls tot war. Diese Erkenntnis hatte einen seltsam beruhigenden Effekt. Er setzte sich nach hinten auf die Fersen und schaute ganz hoch.
Er sah eine Frau in enger Hose und anliegender Lederjacke, das lange schwarze Haar fest nach hinten gezurrt. Sie schaute lächelnd zu ihm herab, und die Kombination ihres Körpers und Gesichts wäre verführerisch genug gewesen, sämtliche erotischen Fantasien seiner Pubertät zu erfüllen... hätte sie nicht gerade erst Glynis Barton mit einem Kopfschuss hingerichtet.
Aber Ian Murchison hatte sie nicht erschossen. Noch nicht. Er atmete einmal kurz durch, dann noch einmal, um seine Stimme unter Kontrolle zu bekommen, und fragte: »Wer sind Sie und was tun Sie hier?«
»Ich bin Anastasia Kerensky«, antwortete sie. »Diese Plattform gehört jetzt mir. Und weil es Verschwendung wäre, einen MedTech zu töten, der bewiesen hat, dass er seinen Dienst auch unter extremen Umständen erfüllen kann - gehörst du mir jetzt auch.«
Passagiersalon der Touristenklasse,
Landungsschiff Pegasus,
unterwegs von Addicks nach Northwind
Präfektur III, Republik der Sphäre
November 3133
An den meisten Abenden war der TouristenklasseSalon des Landungsschiffes der Monarch-Klasse Pegasus nach dem Abendessen gut besucht, und das, obwohl es seit dem Zusammenbruch des HyperpulsKommunikationsnetzes keinen nennenswerten interstellaren Tourismus mehr gab. Heutzutage hatten die weitaus meisten Reisenden wichtigere Gründe, aus einem Sonnensystem in ein anderes zu fliegen, als den Wunsch nach einem exotischen Urlaubsziel. Aber trotzdem gab es in der Republik der Sphäre noch viele Menschen, die zu einem bezahlbaren Preis auf eine andere Welt mussten.
Der Salon in der Touristenklasse verfügte über eine Bar, jedoch nur über einen Barmann, und die Passagiere mussten sich ihre Getränke selbst holen, statt Bedienungen hin und her zu schicken. Die Beleuchtung war hell und sachlich, statt eine gedämpft beleuchtete Privatatmosphäre zu schaffen. Tische, Polsterung und Boden wirkten etwas abgenutzt. Man sah, dass hier gespart worden war, um die Erste Klasse noch besser herausputzen zu können.
Doch das Essen in der Touristenklasse stammte aus derselben Küche wie das in der Ersten Klasse. Das Besteck war statt aus Silber aus Edelstahl und die Servietten bestanden aus Papier statt aus zu Schwänen und Sternen gefaltetem Leinen. Doch die Mahlzeiten waren von derselben Qualität.
Nach langen Monaten im Kampfeinsatz auf Ad-dicks waren Kapitänin Tara Bishop Silberbesteck und Leinenservietten herzlich gleichgültig. Gutes, heißes Essen statt Feldrationen und kalte, starke Drinks reichten völlig, sie zufrieden zu stellen. Die
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