Schatten der Wahrheit
»Irgendwann muss sich das Glück mal wenden. Ist wohl nicht ihre Nacht heute.«
Tara Bishop hatte Mühe, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Himmel hilf, dachte sie. Der Kerl ist nicht nur besoffen, er ist auch noch blöde. Einen solchen Gimpel zu rupfen sollte verboten sein, wie das Abschießen unter Naturschutz stehender Arten.
»Vielleicht verlieren die beiden heute Nacht«, erklärte sie, »wer aber wird gewinnen? Das ist die Frage.«
Thatcher strahlte das fröhliche Grinsen des naiven Dummbeutels. »Sieht ganz nach mir aus, oder?«
Bishop setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Oh, ich weiß nicht.« Sie deutete auf ihren Stoß Jetons. »Ich kann mich nicht beklagen.«
»Aber Sie haben weniger als ich.«
»Genau darauf will ich hinaus. Ihr Glück ist meinem Glück im Weg, und es wird mich abdrängen, wenn die beiden« - wieder winkte sie zu Farrell und Jones hinüber - »absaufen.«
Jones, die Frau mit dem versteckten Dolch, schaute plötzlich auf. »He, Moment...«
Bishop schnitt ihr mit plötzlicher Feindseligkeit das Wort ab. »Still. Thatcher und ich diskutieren, wer Sie nachher ausnimmt.«
Sie sah Jones an, dass es sie juckte, handgreiflich zu werden. Noch jemand, der das Spiel bei schumm-riger Beleuchtung und noch schlechteren Manieren gelernt hat. Aber die Spielerin schluckte ihre wütende Antwort hinunter und steckte zurück. Schließlich war die Jagd noch nicht vorüber, und es wäre dumm gewesen, die Beute zu verschrecken.
Bishop wandte sich wieder zu Thatcher um. »Ich sehe das so: Jemand wird den beiden heute Nacht ihr Geld abnehmen, und dieser Jemand sind entweder Sie oder ich.« Sie schenkte dem jungen Mann ein zuversichtliches, leicht angesäuseltes Lächeln. »Ich habe einen Vorschlag für Sie.«
»Was für einen Vorschlag?«, fragte Thatcher. Er war offenbar noch nicht zu betrunken, um Vorsicht wenigstens vortäuschen zu können.
»Wir heben ab«, sagte sie. »Wer die höhere Karte hat, bleibt im Spiel, wer die niedrigere hat, nimmt sein oder ihr Geld und geht.«
Thatcher wirkte unschlüssig. »Ich weiß nicht...«
Nein, du weißt allerdings überhaupt nichts, dachte Kapitänin Bishop. Genau deshalb bist du auf dem direkten Weg, dein letztes Hemd zu verspielen. Laut sagte sie: »Auf diese Weise verschwenden wir unser Glück nicht aneinander.«
Sie sah ihm an, dass er schwankte. Jones und Farrell ignorierten einander, doch Bishop spürte ihre Gedanken: Ganz gleich, wie es ausging, ihnen blieb ein Opfer. So oder so würden die beiden ihren Spaß haben.
Gut, dachte sie. Behaltet diese Gedanken noch ein wenig im Hinterkopf.
Zu Thatcher sagte sie: »Ich setze fünfzig Stones.«
Die Augen des jungen Mannes funkelten. »Fünfzig Stones und ein Platz am Tisch?«
»Genau.«
»Gemacht.«
Tara Bishop nahm das Kartenspiel, mischte und schob den sauber ausgerichteten Stapel zu Thatcher hinüber, damit er abheben konnte. Er drehte die Karo 2 um. Sie nahm das Spiel zurück, mischte noch einmal und hob selbst ab. Da sie keinen Bedarf sah, sich aufzuspielen, begnügte sie sich mit dem Pik-Buben.
Es gab mehr als eine Fertigkeit, die man beim Kartenspiel erlernen konnte. Kapitänin Bishop hatte auf Addicks - aber nicht nur dort - die Langeweile bekämpft, indem sie sich die meisten davon angeeignet hatte.
»Tut mir wirklich Leid«, sagte sie zu dem jungen Mann. Na ja, so jung nun auch wieder nicht, viel-leicht sogar etwas älter als sie, aber, hilf Himmel, im Vergleich zu ihm fühlte sie sich sehr alt. »Vielleicht kommt Ihre Nacht ja noch.«
Bishop schaute mit einem Ausdruck freundlicher Beschränktheit zu, wie Thatcher seinen Gewinn einsammelte und den Salon verließ. Dann drehte sie sich mit einer radikal anderen Miene zu Farrell und Jones um.
»So, der ist aus dem Weg«, stellte sie fest. Sie nahm die Karten und mischte. »Und jetzt, Freunde... spielen wir eine ehrliche Partie Poker.«
November 3133, Winter
Die Sporthalle der Neuen Kaserne in Tara war erheblich größer als der Name vermuten ließ. Der gesamte Komplex, weiträumiger als viele öffentliche Stadien, diente der körperlichen Ertüchtigung aller im Fort oder irgendwo sonst in der planetaren Hauptstadt stationieren Northwind Highlanders. Darüber hinaus war er Heimstätte für die Sportmannschaften des Regiments. Das weite Kuppeldach der Halle spannte sich nicht nur über die Hauptarena, sondern deckte auch eine Reihe von Spezialanlagen ab: Schwimm-und Sprungbecken, Räume mit Gerätschaften fürs Krafttraining
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