Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
Vom Netzwerk:
etwas Erwartungsvolles in ihnen wie vor einem großen Ding. Er kannte diesen Ausdruck. Aber diesmal war das Ziel nicht eine wohl gefüllte Geldkatze, sondern das goldene Jerusalem. Arik glaubte nicht ein Wort von dem Geschwätz. Er hatte keine Ahnung, wo Jerusalem lag, aber es hatte etwas mit Jesus zu tun, mit dem Kreuz, mit was Kirchlichem, und er verabscheute alles, was mit der Kirche zu tun hatte, denn von den frommen Brüdern war noch nie etwas Gutes gekommen. Wenn es dieses Jerusalem wirklich gab, dann saßen dort bestimmt schon die gierigen Bischöfe und Dompröpste und hatten überall ihre fetten Finger drauf. Für die Armen gab es kein Paradies, das hatte Arik früh gelernt. Nur, wer sich rücksichtslos nahm, was er brauchte, konnte überleben. Mehr war nicht zu erwarten. Auch nicht von diesem Nicholas. Aber das waren Ariks Gedanken.
    In Köln war er zu Hause, kannte jeden Flecken, jeden Stein. Hier war er ein kleiner König, wenn auch nur der König der Straßendiebe. Was würde er da draußen sein unter den Tausenden, die sich aufmachten? Ein winziger Tropfen im Meer. Doch wenn sich Tausende diesem Nicholas anschlossen, dann musste er, Arik, womöglich allein in Kölns stinkenden Gassen zurückbleiben. Wenn seine Läufer ihn verließen, konnte er auch in Köln kein König mehr sein. Ein König ohne Gefolge, das war einfach lächerlich.
    »Das hättet ihr mir auch gleich sagen können«, gab er sich versöhnlich. Und schon huschte ein schlaues Lächeln um seine Lippen. »Wir können uns alle diesem Kreuzzug anschließen und bleiben doch, was wir sind, oder nicht? Ich meine, unterwegs ergeben sich bestimmt Gelegenheiten. Es muss sich nichts ändern, gar nichts.«
    »Du meinst, wir sollen da weiterhin vom Stehlen leben?«
    »Ich meine gar nichts.«
    Arik fühlte sich bereits wieder obenauf, denn dieser Nicholas war eigentlich kein richtiger Gegner. »Ich sage nur Folgendes: In dem Haufen sind wir verloren, wenn wir nicht zusammenhalten. Deshalb lasst uns mit den anderen ruhig nach Jerusalem pilgern. Doch wenn was schiefgeht unterwegs – ich meine ja nur – dann ist sich jeder selbst der Nächste. Dann solltet ihr wissen, an wen ihr euch halten könnt.«
    Er klopfte sich auf die Brust. »Die ganze Sache sieht mir nach keinem guten Ende aus, aber der rote Arik und seine Läufer werden nicht dabei draufgehen.«
    Auf den Gesichtern ringsum registrierte er befriedigt erleichtertes Grinsen. Auch auf dem Weg ins Paradies versicherte man sich doch gern eines sicheren Geleits, einer schützenden Hand, und Arik war immer ein guter Anführer gewesen. Weil er stark und gerecht war, und weil er um die Konkurrenz anderer Diebesbanden wusste, die gern den einen oder anderen mit Schmeicheleien oder Drohungen abwarben.
    »Wann soll es denn losgehen?«, fragte er und rieb sich schon unternehmungslustig die Hände.
    »Übermorgen. Aber viele treffen sich schon morgen außerhalb der Stadt bei den Eigelsteinen an der alten Römerstraße. Es heißt nämlich, dass am Sankt-Veits-Tag die Tore geschlossen werden, damit niemand hinaus kann.«
    »Die Pfaffen und der Rat segnen diese merkwürdige Wallfahrt also nicht ab, was?«
    Der Märten-Franz zuckte die Achseln. »Weiß nicht, ist nur ein Gerücht. Wir wollen uns jedenfalls am Kreuzweg treffen.«
    Arik nickte dazu. Und so kam es, dass am Tag von Ariks Entlassung die Bande wieder zusammenfand. Für sie stellte sich das Ereignis als ein großartiges Abenteuer dar.

Die Schändung und der Tod
    Kuno von Eibenau lag bäuchlings und mit nacktem Oberkörper auf seinem breiten, nach Schweiß stinkenden Bett. Das Laken war zerwühlt, die Decke aus weicher Wolle lag zu einem Knäuel gestrampelt am Fußende. Schlaff hing sein linker Arm vom Bett herunter, auf den rechten hatte er seinen Kopf gebettet. Neben dem Bett auf dem Fußboden lagen ein paar fleckige Tücher, und auf einem Schemel stand eine Schüssel mit gelber Brühe, die nach Kamille roch. Eine junge Magd hockte in einer Ecke, faltete saubere Tücher und legte sie auf einen Stapel. Ihr einziges Kleidungsstück war ein langer, fleckiger Unterrock.
    Von welcher Art diese Flecke waren, meinte Hartwig von Eibenau zu wissen, der in diesem Augenblick das Zimmer betrat. Sein Gesicht verzog sich zu einer bitteren Grimasse.
    Die Magd zuckte bei seinem Anblick zusammen. Gewöhnlich mied der Herr die Privatgemächer seines Sohnes. Unter buschigen Brauen musterte sein scharfer Blick das leidlich aufgeräumte Zimmer und blieb dann an der

Weitere Kostenlose Bücher