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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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auch eine karierte Gardine umhängen können und dabei hübsch ausgesehen, so als trüge sie nur ein ausgefallenes Designerstück.
    »Was ist denn bei euch los?«, fragte sie, während sie auf den Flur trat.
    »Nur das Übliche«, gab Zoë trocken zurück. »Leben im Irrenhaus.«
    Sie konnte Paula ansehen, dass sie überlegte, ob der Satz witzig gemeint war. Es war unfair, so etwas zu denken, aber Ellen hätte keine Sekunde überlegt. Ellen hätte einfach gelacht.
    Etwas Schlimmes, Heißes drohte in ihrer Brust aufzublühen. Sie musste krampfhaft schlucken, einmal, zweimal, um den Kloß in ihrer Kehle aufzulösen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Paula. »Geht es dir nicht gut? Du bist ganz blass.«
    »Alles bestens«, gab Zoë zurück. »Fang bloß nicht wieder an, mich wie ein rohes Ei zu behandeln.«
    Paula zupfte an ihrem Schweißband. »Das tue ich doch gar nicht«, sagte sie und musterte Zoës weißen Trainingsdress. Sie sah so aus, als hätte sie noch etwas auf dem Herzen, aber sie schwieg. Und genau das war das Problem bei Paula: Ihr Schweigen enthielt immer sehr, sehr viele Worte.
    »Ich weiß, dass vielleicht auch David auf dem Platz ist«, sagte Zoë in das Schweigen. »Ich habe auf dem Plan gesehen, dass die Elfte am Freitagnachmittag spielt. Das ist in Ordnung. Mach dir keine Sorgen, ich werde ihm schon keine Szene machen. Ich sehe ihn jeden Tag, schon vergessen? Ich bin drüber weg.«
    In diesem Augenblick stimmte das sogar. Die Aussicht, David auf dem Sportplatz zu sehen, löste nichts aus, nicht einmal ein flaues Gefühl im Magen. Zwanzig Tage genügten offenbar, um die Sehnsucht zu kühler, beherrschter Wut erstarren zu lassen.
    »Okay«, sagte Paula gedehnt. Zoë fragte sich, ob sie auf ihre Freundin tatsächlich wie jemand wirkte, der beim Anblick des Exfreundes zusammenbrechen würde. Paula sah auf ihre Armbanduhr. »Schon Viertel vor drei. Los jetzt!«
    Zoë lief in ihr Zimmer und schnappte sich den Beutel mit den Sportschuhen. An der Tür zu Leons kleinem Zimmer, das ihre Mutter nur »Räuberkammer« nannte, zögerte sie und lauschte. Die mechanische Stimme eines Märchenerzählers erklang hinter der Tür. Eine Sekunde kämpfte sie noch gegen das schlechte Gewissen an, aber dann beschloss sie, dass Leon schon klarkommen würde. Sie war bereits auf halbem Weg über den Flur, als ihr das Chaos im Wohnzimmer wieder einfiel.
    »Bin gleich da!«, rief sie Paula zu. Hastig klaubte sie die Tasse und die Teller zusammen und stellte sie auf das Tablett. Dann sammelte sie die Kekse ein. Als sie sich aufrichtete, ließ eine Bewegung an der Balkontür sie zusammenzucken.
    Ihre Mutter stand draußen auf dem winzigen Balkon und blickte zu den Kränen hinüber. Sie trug ihren blauen Bademantel, ihr Haar stand in wirren Wellen vom Kopf ab. Eine hübsche, mollige Frau mit müden Augen von der Nachtschicht im Krankenhaus. Die Nachmittagssonne legte eine schmale goldene Aura um ihr Profil. Zoë hatte sie nicht ins Wohnzimmer gehen hören, was die Vermutung nahelegte, dass sie schon eine ganze Weile draußen stand. Natürlich: Das Schnappen! Das Schloss der Balkontür. Vom Balkon aus hatte sie das Chaos im Wohnzimmer mitbekommen, einfach die Tür zugezogen und sich außer Sichtweite an den rechten Rand gestellt. Ausgeblendet , dachte Zoë. Wie das Fernsehprogramm. Zu den Kränen gezappt. Beinahe hätte sie gelacht. Die Flucht hinter Glas. Ein paar Minuten weiße Zeit. Es war einer dieser seltenen Augenblicke, in denen Zoë gerne zu ihrer Mutter getreten wäre, um einfach die Stille mit ihr zu teilen. Aber das war natürlich unmöglich. Die Glasscheibe zwischen ihnen war unüberwindbarer als eine Mauer. Noch nie war Zoë über die Schwelle zum Balkon getreten. Er war nicht viel mehr als ein an die Fassade geklebter Schuhkarton. Der Gedanke, ihn zu betreten und die Höhe des sechsten Stockwerks unter den Sohlen zu spüren, machte Zoë schwindelig.
    Es tat gut, wieder unterwegs zu sein. Der Nachmittagsverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht, die Frühjahrssonne spiegelte sich auf Motorhauben. Es war zu laut für Gespräche und die roten Fußgängerampeln bremsten sie aus. Paula sah immer wieder auf die Uhr. Was Pünktlichkeit anging, verstand Frau Thalis keinen Spaß.
    Zoë merkte, dass sie wieder nervös mit den Fingern trommelte – diesmal auf ihrem Beutel. Sie sah sich um, ließ den Blick schweifen und stutzte. Unter den vielen Leuten, die gleichgültig an der Ampel standen, nahm sie eine Bewegung wahr. Jemand

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