Schattenblume
Obwohl die Klimaanlage an war, schwitzte sie. Eigentlich machte sie nicht gerne Nachtmittagsschläfchen, und wie um sie daran zu erinnern, machte sich jetzt ein pochender Schmerz in ihren Schläfen bemerkbar.
In der Küche fand sie Cola und eine Aspirin. Mit dem Koffein und der Tablette hoffte sie, die sich ankündigende Migräne noch abwehren zu können. Vielleicht spien die Schlote der Baumwollspinnereien oder beim Steinbruch irgendeinen Dreck in die Luft. Jedenfalls hatte Sara seitdem Moment, als sie in Sylacauga angekommen war, Kopfschmerzen.
Wie ein Zombie wankte sie durchs Haus. Mit dem Mittagsschlaf hatte sie Kräfte sammeln wollen, doch jetzt war sie vollkommen gerädert.
Nell hatte sie vor dem Kinderbad gewarnt, und nachdem sie einen flüchtigen Blick hineingeworfen hatte, wusste Sara auch warum. Handtücher und Kleider lagen auf dem Boden verstreut, und wenn man bedachte, wie alt Jen und Jared waren, tummelte sich in der Wanne eine erschreckende Anzahl von Gummitieren.
Sara durchquerte das Elternschlafzimmer und stellte fest, dass Nell einen überraschend guten Geschmack hatte. Ein großes, altes, massives Ehebett mit einem handgemachten Quilt stand schräg in einer Ecke und bot einen wunderschönen Ausblick auf den sonnigen Garten. Die andere Ecke nahm ein antiker Schaukelstuhl ein, der Fernseher stand auf einer schönen alten Kommode.
Wie das Schlafzimmer war auch das Bad sauber und ordentlich. Die Handtücher waren farblich auf den Quilt abgestimmt, und auch die Fußmatten passten zum Ensemble. Sara stellte die Colaflasche auf den Wannenrand und setzte sich aufs Klo. Mit dem Handrücken verbarg sie ein Gähnen. Sie wollte gerade ein Stück Klopapier von der neuen Rolle abwickeln, als sie plötzlich ein Geräusch vorn im Haus hörte. Wie ein Bauerntölpel hatte Sara die Badezimmertür offen stehen lassen, und jetzt spülte sie hastig und zog sich die Hose hoch. Aus den vorderen Zimmern kam ein lautes Krachen. Sara wollte schon rufen, ob jemand Hilfe brauchte, doch dann hielt sie inne. Irgendwas kam ihr verdächtig vor.
Vorsichtig schlich sie sich ins Schlafzimmer zurück, alses wieder laut krachte. Jemand war in der Küche und durchsuchte die Schränke, genau wie es Sara am Vortag bei Jessie getan hatte.
Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass sie in der Falle saß. Vom Bad kam man nur ins Schlafzimmer, und bis auf das Fenster war der einzige Ausgang die Tür zum Flur. In diesem Moment näherten sich Schritte, und Sara stürzte zurück ins Bad, sprang in die Wanne und zog den Duschvorhang zu.
Wer immer es war, ganz offensichtlich suchte er etwas. Schranktüren wurden aufgerissen, und der Inhalt der Regalfächer flog auf den Boden. Sara spürte, wie ihr eine Schweißperle über die Stirn rann, als der Eindringling das Bad betrat.
Sie sah den Schatten eines großen Mannes, der neben der Toilette stand, nur wenige Zentimeter von ihrem Versteck. Im Gegenlicht konnte sie nichts erkennen, und obwohl er sie nicht sehen konnte, fühlte sie sich bloßgestellt, als würde sie jede Sekunde entdeckt. Der Mann beugte sich vor und nahm etwas vom Wannenrand. Die Colaflasche. Sie war noch kalt vom Kühlschrank.
Er fragte: «Wer ist da drin?»
Sara tastete die Wand hinter sich ab, spürte die kühlen Fliesen unter den Händen. Plötzlich musste sie an Atlanta denken, an den Toilettenraum, wo ihr Vergewaltiger sie mit Handschellen an ein Rohr gefesselt und in einer Kabine zurückgelassen hatte. Sie würde den Schmerz ihrer nackten Knie auf den kalten Fliesen nie vergessen. Stundenlang hatte sie die Kacheln angestarrt, bis sie endlich jemand rettete. Ihr Mund war mit Klebeband zugeklebt gewesen, damit sie nicht schreien konnte, sie konnte nichts tun, nur zusehen, wie sie immer mehr Blut verlor.
Jetzt wurde der Duschvorhang zurückgerissen. Entsetzt zuckte sie zusammen und drückte sich gegen die Fliesen.
Vor ihr stand Robert mit der Colaflasche in der Hand. Er war sichtlich wütend, dass er sie hier fand. «Was machst du hier?»
Sara griff sich ans Herz, Erleichterung machte sich in ihr breit. Doch die Erleichterung währte nicht lang, als ihr auffiel, dass nicht sie hier am falschen Ort war. Warum war Robert hier? Was suchte er?
Sie stammelte: «Ich habe …»
Robert sah sich um, als würde er nach einer Erklärung für ihre Anwesenheit suchen. «Raus hier, Sara.»
Sie wollte tun, was er sagte, doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht.
«Was willst du?», fragte er. Als sie nicht antwortete, stellte
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