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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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umherirrten. Das Grollen wurde bösartiger, und ein neues Beben ließ Nandar erzittern. Einige zerrüttete Häuser brachen endgültig in sich zusammen; Binhipar erklomm eine zerfallene Mauer, schrie nach seinen Begleitern, »kommt, beeilt euch!«, reichte Blidor die Hand, doch dieser glitt mit dem Fuß in eine Spalte, die sich plötzlich unter ihm aufgetan hatte.
    Das Sithalit brüllte vor Freude auf. Der Riß weitete sich; Steinsplitter schössen aus dem Felsen empor, klirrten wie Geschosse aus Glas. Binhipar warf sich zu Boden, und auch Garalac und Akendor ließen sich fallen. Blidor schrie um Hilfe, »Vater! Vater!«, er flehte und bettelte. Binhipar raffte sich auf, kroch über den bebenden Erdboden auf seinen Sohn zu, der den Fuß nun aus der Spalte gezogen hatte.
    »Steh auf!« herrschte er Blidor an. »Steh auf, ich befehle es dir!«
    In Blidors Brust hatten sich messergroße Steinsplitter gebohrt, ein weiterer steckte in seinem Hals. Blut quoll aus den Wunden, und seine Schreie wurden zu einem Gurgeln. Er klammerte sich an Binhipar fest wie ein Kind. »Vater … bring mich fort … fort …«
    Dann erstarb Blidors Stimme.
    Binhipars Kiefer verkrampfte sich. »Steh auf!« stieß er ein letztes Mal hervor, hob die Faust, als wollte er seinem Sohn einen Hieb versetzen. Doch dann fielen seine Schultern nach vorn; er preßte die Hand vor den Mund, keuchte.
    »Fürst Binhipar … wir müssen weiter!«
    Garalacs Stimme brachte ihn zur Besinnung. Binhipar nickte, riß sich den Umhang vom Leib und bettete ihn über Blidors leblosen Körper. Dann folgte er Garalac und Akendor; nahm weder das Gelächter des Felsens wahr noch das ohrenbetäubende Krachen hinter ihm, als die Burg Nirdun in sich zusammenfiel. Stumm schritt Binhipar durch die Gassen von Nandar - ein Mann, der sein Fürstentum, seinen Sohn, seinen Mut verloren hatte; dem nichts weiter blieb, als aufrecht durch die Trümmer jener Stadt zu schreiten, über die er so lange geherrscht hatte.
    Ein letztes Mal bebte die Erde in Nandar … dann herrschte Stille. Der Fels kam zur Ruhe. Das Blut der Getöteten erkaltete, die zermalmten Körper rutschten hinab in die Tiefe. Steinerne Ruhe hing über der Stadt. Das Sithalit hatte über die Menschen gesiegt. Eine neue Zeit war gekommen, in der alles Leben dem Leblosen weichen mußte, in der die Geister des Felsens auf ewig über schwarze Ruinen gebieten sollten.

VORREDE DES DRITTEN BUCHES
    Als die Welt noch jung war, die Meere aus Eis und das Land aus erkalteter Lava, entstand im Wechselspiel der Naturgewalten die Sphäre. Wie ein Schleier wehte sie über Gharax, den Sinnen der Menschen verborgen. Nur wenige vermochten sich ihr zu öffnen, und auch sie wußten nichts über ihren Ursprung.
    Viele Legenden rankten sich um den Kampf gegen die Sphäre. Die Quellen, die das unsichtbare Netz der Magie zusammenhielten, waren den Bewohnern von Gharax feindlich gesinnt. Wo immer der Mensch sich niederließ, wurde er von Stürmen und Fluten, Dürren und Plagen heimgesucht; die Natur machte ihm das Leben zur Qual. Es schien, als fürchteten die Quellen ihn, da er durch seine Klugheit die Welt zu formen verstand. Einem Kind war es schließlich vergönnt, den Bann zu brechen: Kahida, der Tochter eines Fischers auf der Insel Tyran, wo viele Menschen Heimat gefunden hatten. Von Geburt an besaß Kahida ein fröhliches Wesen, so daß jeder sie ins Herz schloß. Selbst die Wesen der Sphäre gewannen sie lieb; sie spielte mit den Geistern der Wälder, lachte mit den Dämonen der Winde und tauchte mit den Wellengängern durch die Meere. Bald gelangte sie in die Welten jenseits der Sphäre, die kein Mensch zuvor gesehen hatte, und lernte die Sphärenströme zu lenken.
    Als Kahida zur Frau heranwuchs, schloß sie einen Pakt mit den Völkern der Sphäre. Fortan ließen die Quellen die Menschen in Frieden; überall auf Gharax erblühten neue Dörfer und Städte. Dreihundert Jahre lang herrschte Kahida auf der Insel Tyran, verehrt und geliebt von Menschen und Sphärenwesen zugleich.
    Dann aber kam es zum Krieg. Über Nacht verwüsteten die Sphärenwesen Tyran, zerstörten die Dörfer und mordeten wahllos. Kahida sah sich gezwungen, die Tore zwischen Gharax und den Sphärenwelten zu versiegeln, um die Menschen zu schützen. Damit war die Macht der Sphäre gebrochen, und obwohl die Quellen in ewiger Feindschaft auf Gharax zurückblieben, konnte der Mensch nun gegen sie bestehen.
    Die Legenden waren sich uneins, wie es zu jenem Zwist auf Tyran

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