Schattenelf - 2 - Das Turnier
Menschen, die sich allen anderen überlegen fühlten, es nicht wert waren, dass man ihretwegen seelisch litt.
»Du musst jetzt gehen«, fuhr Jilseponie fort. »Er reitet mit Herzog Tetrafel in den Westen des Landes, und Tetrafel würde sich sehr geschmeichelt fühlen, wenn du ihn begleitest.«
König Danube lehnte sich zurück und dachte über ihren Vorschlag nach. Herzog Tetrafel war gesundheitlich angeschlagen, und das bereits seit mehr als einem Dutzend Jahren, seit er in den Westen aufgebrochen war, um eine direkte Route durch den Großen Gürtel in das unterworfene Königreich To-gai zu suchen. Gefunden hatte er, eigenen Berichten zufolge, einen Stamm merkwürdiger Wesen, die den größten Teil seines Erkundungstrupps ins Torfmoor gejagt und die Leichen seiner Männer anschließend als groteske Marionetten wieder zum Leben erweckt hatten.
Seitdem war der Herzog der Wilderlande nie wieder der Alte geworden.
»Ich würde es vorziehen, hier zu bleiben, bei dir«, erklärte König Danube, beugte sich zu Jilseponies Thron hinüber und legte ihr behutsam eine Hand aufs Bein.
Als sie ihre Hand auf seine schob, schlich sich ein leichter Ausdruck von Traurigkeit in ihr Lächeln.
»Ist dir nicht gut?«, erkundigte sich Danube, dem nichts entging.
Jilseponie sah ihm in die Augen und seufzte. In letzter Zeit litt sie häufig unter Schmerzen, vor allem im Unterleib. Sie schrieb sie den Narben zu, die sie bei ihrem ersten Kampf mit Markwart auf dem Feld vor Palmaris davongetragen hatte, als dieser ihr Kind tötete. Und tatsächlich, wenn sie sich mit Hilfe des Seelensteins untersuchte, konnte sie zahlreiche innere Verletzungen erkennen. Sie wusste nicht, warum die Schmerzen in letzter Zeit schlimmer geworden waren.
Es schmerzte sie, dass sie die Annäherungsversuche ihres Gemahls zurückweisen musste, aber die Beschwerden ließen sich einfach nicht ignorieren. Noch immer hegte sie für Danube nicht die gleichen Gefühle wie damals für Elbryan. Ihre Beziehung zu dem Hüter war von Leidenschaft und Liebe bestimmt und von der Wildheit der Jugend und der Gefährlichkeit der damaligen Zeit erfüllt gewesen. Die Beziehung zu Danube hatte eher etwas Gezähmtes und Betuliches, aber sie wollte ihn ganz sicher nicht verletzen.
»Ich werde Kalas und die anderen begleiten«, entschied Danube, dessen Gesichtsausdruck verriet, dass er seiner Frau vertraute und sehr wohl wusste, dass sie nicht einfach nach Ausflüchten suchte, um nicht das Bett mit ihm teilen zu müssen.
Jilseponie wusste dieses Vertrauen zu schätzen, denn es war vollauf berechtigt. Was immer der Grund für ihre Niedergeschlagenheit war, sie hoffte, dass sie bald vorüberging und sie ihre eheliche Beziehung mit ihrem Mann wieder aufnehmen konnte; sie befürchtete jedoch, dass es etwas tiefer Gehendes, vielleicht sogar Dauerhaftes war, das – so ihre größte Befürchtung – zusehends schlimmer wurde.
»Ich werde noch vor unserem Jahrestag zurück sein«, versprach Danube, beugte sich herüber und küsste sie zärtlich auf die Wange.
»Und ich werde dich erwarten, mein Geliebter«, erwiderte Jilseponie.
Daraufhin erhob sich Danube und ging. Er sah nicht mehr, wie seine Frau unter einem weiteren Krampf zusammenzuckte.
»Zu viel!«, sagte Abt Ohwan aufgebracht. »Ihr habt ihr zu viel von den Kräutern verabreicht.«
»Eine Überdosis ist gar nicht möglich«, erwiderte Constance Pemblebury ebenso hitzig. »Sie kann ihm kein Kind gebären! So einfach ist das.«
»Ihr seid im Verabreichen von Kräutern überaus bewandert«, sagte Abt Ohwan vorwurfsvoll, was natürlich durchaus zutraf, da Constance den größten Teil ihres Lebens als Kurtisane zugebracht hatte und die Damen an Danubes Hof mit der Anwendung gewisser Kräuter zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften bestens vertraut waren. »Und Ihr wisst auch, dass die Verabreichung einer Überdosis großen Schaden anrichten und sogar den Tod zur Folge haben kann. Das wisst Ihr, Lady Constance. Ihr seht doch, wie sie sich beim Gehen und sogar im Sitzen vor Krämpfen windet.«
Constances Lippen wurden überaus schmal; sie wandte sich verächtlich ab.
»Ich werde mich da nicht hineinziehen lassen!«, ereiferte sich Abt Ohwan.
»Das ist doch längst geschehen!«, erwiderte Constance und fuhr erneut zu ihm herum.
Der Abt bewahrte die Fassung – hauptsächlich, weil er Königin Jilseponie, die Oberste Ordensschwester seiner Abtei und eine einflussreiche Stimme sowohl innerhalb des Ordens als auch im
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