Schattenelf - 2 - Das Turnier
Menschlichkeit anzusprechen, bis zu der Person Marcalo De’Unneros vorzudringen und ihm zu helfen, die Bestie in die Schranken zu weisen. Aydrian war auch der Grund dafür, dass Marcalo De’Unnero wieder in Palmaris leben und, wie bereits mehrfach geschehen, Roger Flinkfinger auf der Straße begegnen konnte, ohne dass dieser ihn erkannte und ohne befürchten zu müssen, dass die Bestie hervorbrach. Wegen Aydrian musste Marcalo De’Unnero sich nicht länger um sein nacktes Überleben kümmern und konnte wieder dazu übergehen, sich auf die wichtigeren Dinge des Lebens zu konzentrieren. Die Welt stand ihm wieder offen.
Diesen Gedanken im Hinterkopf, hatte er geplant, Palmaris zusammen mit seinen beiden Freunden zu verlassen und zu seinem bislang kühnsten Schachzug auszuholen, einer Reise, die ihn quer durch die südlichen Gefilde des Königreiches bis in das ferne Entel und, wenn alles gut ging, noch sehr viel weiter führen würde.
Aber jetzt diese Nachricht von dem Schwert und dem Bogen Nachtvogels …
»Bis nach Caer Tinella sind es zwei Wochen, und von dort bis Dundalis zwei weitere«, sagte er. »Wenn wir riskieren, in den Norden zu reisen, und dort von den ersten Schneefällen überrascht werden, könnten wir frühestens zu Beginn des Frühlings im nächsten Jahr in die südlichen Regionen aufbrechen. Möglicherweise verlieren wir dann ein volles Jahr bei unserer Suche.«
»Und das ist es wert?«, fragte Sadye, deren Tonfall deutlich anzumerken war, dass sie durchaus dieser Meinung war.
De’Unnero lächelte. »Also meinetwegen, soll der Junge die Spielzeuge seines Vaters suchen«, erklärte er sich einverstanden. »Vielleicht werden sie uns eines Tages noch von Nutzen sein.«
Er hoffte nur, dass die Information nicht auch irgendwelchen Grabräubern in die Hände gefallen war. Es wäre überaus ärgerlich, wenn sie diese weite Reise auf sich nahmen, nur um festzustellen, dass die Gräber bereits ausgeräumt worden waren.
Es war an einem kalten und windigen Herbsttag, als De’Unnero, Sadye und Aydrian einen Hügel kurz vor Caer Tinella erreichten, ein Tag ganz ähnlich dem, an dem die Weihung der Kapelle stattgefunden hatte, die zurzeit sowohl Marcalo De’Unneros Blickfeld wie auch sein ganzes Denken beherrschte.
Das weiß getünchte Bauwerk – klein für eine Abtei des Abellikaner-Ordens, aber geradezu riesig verglichen mit den anderen Gebäuden der kleinen Ortschaft – stand auf einer Erhebung, die es sogar noch größer wirken ließ. Darüber, oben auf einem kleinen Glockenturm, erhob sich die Statue eines Arms, eine in die Höhe gereckte Faust, eine Faust, die Marcalo De’Unnero sofort wiedererkannte. Den ursprünglichen Arm, den Arm Avelyns, hatte er in versteinerter Form auf einem Bergplateau hunderte von Meilen nördlich von hier gesehen. Und wie er sich an diesen Mann erinnerte! An den abtrünnig gewordenen Ordensbruder, den Mörder von Meister Siherton, der im Grunde die Katastrophe, die sich jetzt als Abellikaner-Orden bezeichnete, überhaupt erst herbeigeführt hatte. Wenn die Menschen von Marcalo De’Unnero sprachen, meinten sie gewöhnlich den Gegenspieler Nachtvogels und Jilseponies, in Wahrheit aber empfand De’Unnero eigentlich sogar Respekt für die beiden. Den hatten sie durchaus verdient. Nicht dagegen Avelyn, den De’Unnero stets von ganzem Herzen gehasst hatte. In De’Unneros Augen war dieser Trunkenbold der Legende unwürdig, die man um ihn herum wob, und eine ihm geweihte Kapelle an so herausragender Stelle auf einem Hügel inmitten der aufstrebenden Gemeinde Caer Tinella erblicken zu müssen, war fast mehr, als De’Unnero ertragen konnte.
»Du wusstest doch, dass sie einen Helden aus ihm machen würden«, sagte Sadye, die keine Mühe hatte, die Verachtung und Verzweiflung in seinem Gesicht zu erkennen. »Sie bezeichnen ihn nicht nur als ihren Erlöser, der die Welt vor der Rotfleckenpest gerettet hat, sondern sehen in ihm auch den Mann, der die leibliche Manifestation Bestesbulzibars vernichtet hat. Du weißt, dass er Ende des Jahres zum Heiligen ernannt werden soll. Kann dich da diese Kapelle wirklich noch überraschen?«
»Ob sie mich überrascht oder nicht, hat nur wenig damit zu tun, wie sehr ich diesen Ort verabscheue«, erwiderte De’Unnero.
»Wieso kümmert Euch das überhaupt?«, wagte Aydrian einzuwerfen. »Ihr seid aus dem Orden ausgeschieden, behauptet Ihr jedenfalls. Nehmt die Kapelle einfach als weiteren Grund, weshalb Ihr gezwungen wart, den Orden
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