Schattenelf - 2 - Das Turnier
behauptet hatte. Nein, Constance genoss es mittlerweile zu sehen, wie Jilseponie sich unter Schmerzen wand, sie genoss es, wenn sie hörte, dass König Danube neuerdings nicht mehr das Bett mit ihr teilte und nicht einmal mehr im selben Zimmer schlief. Sie hatte sich gewissen Fantasien hingegeben, ihr Plan könnte König Danube und Jilseponie auseinander bringen, und der lebensfrohe König würde, wenn er so lange auf die Zärtlichkeiten einer Frau verzichten musste, zu ihr zurückkehren.
Wenn Jilseponie dabei ums Leben kam, umso besser.
»Doch halt«, sagte sie leise, als sie den kleinen zum Schloss führenden Innenhof überquerte. »Ich darf nichts überstürzen. Ich muss mich an Abt Ohwans Regeln halten. Und genau das werde ich auch tun.«
Entschlossen nickend ging Constance zwischen zwei mit ausdrucksloser Miene vor sich hin dämmernden Schlosswachen hindurch.
Als sie hinter ihnen das Schloss betrat, sahen sich die beiden kurz an und grinsten wissend – Constances Benehmen hatte in letzter Zeit häufig Anlass zum Schmunzeln gegeben –, bevor sie kopfschüttelnd wieder ihre unerschütterliche Haltung einnahmen.
2. Ein Spuk
»Bist du dir dessen ganz sicher?«, fragte Marcalo De’Unnero, ebenso angestrengt wie vergeblich darum bemüht, sich die Erregung in seinem wettergegerbten Gesicht nicht anmerken zu lassen.
Sadye hatte ein schelmisches Funkeln in den Augen.
»Woher willst du so genau wissen …«, setzte De’Unnero an, unterbrach sich dann aber und winkte ab. Er war klug genug, seiner gerissenen Gefährtin nicht zu misstrauen. Wenn Sadye sagte, dass Nachtvogels Waffen, das prächtige Schwert Sturmwind und der Bogen, Falkenschwinge, Seite an Seite in einem Hügelgrab unweit von Dundalis lagen, dann war Marcalo De’Unnero bereit, ihre Behauptung als Tatsache zu akzeptieren.
»Sie werden möglicherweise bewacht«, überlegte der ehemalige Mönch.
»Das Gehölz liegt außerhalb des Dorfes; dorthin verschlägt es nur wenige, zumal Jilseponie jetzt auf dem Thron sitzt und Roger Flinkfinger die Stadt Palmaris unsicher macht«, erwiderte Sadye. »Außer diesen beiden dürften sich nur wenige stark genug dafür interessieren. Die Zeit für Heldentaten ist lange vorbei.«
De’Unnero musste abermals schmunzeln, diesmal aber war sein Lächeln nicht ganz ungetrübt, denn es stimmte ihn ein wenig traurig, dass all die folgenschweren, gerade mal ein Dutzend Jahre zurückliegenden Ereignisse, Elbryans Heldentaten eingeschlossen, so schnell in Vergessenheit geraten waren. Er musste allerdings zugeben, dass Sadyes Einschätzung den Tatsachen entsprach. Abgesehen von gewissen Gedenkfeiern – De’Unnero war zu Ohren gekommen, dass Avelyn Desbris in Kürze heilig gesprochen werden sollte – und den Vorteilen für die Sieger, für die Braumin Herdes Bischofsrobe und der Königinnenmantel auf Jilseponies Schultern als Beweis gelten konnten, waren diese unruhigen Jahre nahezu völlig aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden.
In den Jahren, die er sich im Grenzgebiet zu den Wilderlanden herumgetrieben hatte, war so viel passiert! Wenn man von den Folgen absah, die er womöglich für seinen jüngeren Gefährten hatte, kümmerte Jilseponies Aufstieg De’Unnero im Grunde nicht wirklich. Und auch Braumin Herdes Aufstieg bereitete ihm nicht gerade Kopfzerbrechen. Herde war ein anständiger, wenn auch irregeleiteter Mann, wie De’Unnero wusste; obwohl er in De’Unneros Augen weder über die Willensstärke noch die Ausstrahlung eines echten Bischofs verfügte und aufgrund seines Auftretens eher geeignet schien, eine winzige Kapelle draußen auf dem Land zu leiten, bereitete sein Aufstieg in das Amt des Bischofs von Palmaris De’Unnero keine großen Sorgen.
Am meisten betrübte ihn die allgemeine Richtung des Ordens; zum einen die Nachricht, dass Jilseponie als Oberste Ordensschwester und als Königin fungierte, aber auch, dass Fio Bou-raiy, ein Mann, den Marcalo De’Unnero von ganzem Herzen verabscheute, jetzt ehrwürdiger Vater des Abellikaner-Ordens war. Diese Tatsachen nagten an ihm, auch wenn diesem so heimgesuchten Mann die Fähigkeit, sich überhaupt wieder um diese Dinge sorgen zu können, eher wie eine Erlösung erschien. Jahrelang hatte er ausschließlich ums nackte Überleben kämpfen müssen. Jetzt jedoch waren Sadye und Aydrian bei ihm, die den Wertiger nicht nur ablenken und hervorlocken konnten, sondern die auch in der Lage waren, den unter diesem katzenhaften Äußeren schlummernden Funken seiner
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