Schattenelf - 4 - Feuerzauber
und der Grauen erregende Drache hatte gewiss nicht die Absicht, seine Gefangenen laufen zu lassen.
Ein Geräusch im hinteren Bereich der Grube riss Juraviel aus seinen Überlegungen und bewog ihn, sich zu dem einen Ausgangsstollen des Hauptgefängnisses umzudrehen, einem langen, niedrigen Gang, der zu einem dunstverhangenen Felsvorsprung führte, über den sich ein Wasserfall ergoss, der in die Tiefe stürzte, um dort in einem weiten Becken flüssiger Lava zischend zu verdampfen. Cazzira, das schwarze Haar nass vom Waschen, ihre milchig-weiße Haut vom Dampf noch ganz gerötet, trat mit nicht mehr als ihrem kurzen Hemd bekleidet in die Höhle.
»Ist er schon wieder zurück?«, fragte sie und warf ihr nasses Haar aus dem Gesicht.
Einen Moment lang stand Belli’mar Juraviel einfach nur da und ließ ihre Frage unbeantwortet verklingen.
Cazzira blieb bewegungslos stehen, als sie seinen Blick bemerkte. »Was ist denn?«, fragte sie lächelnd und musste sogar ein wenig kichern.
»Ich dachte nur gerade darüber nach, wie viel länger mir diese Gefangenschaft vorkommen würde, wenn du hier nicht bei mir wärst«, gestand Juraviel.
Cazziras Lächeln wurde noch strahlender; sie trat unmittelbar neben den blonden, goldäugigen Touel’alfar und legte ihm die Hand auf seine schmale, kräftige Schulter. Juraviel schloss die Augen und atmete tief ein, um Cazziras Duft in sich aufzunehmen. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, einen Schritt auf sie zuzugehen, sie in die Arme zu schließen und zu küssen, doch der Moment war vorbei, als sie ihn fragte: »Wieso musst du es dir unbedingt als Gefangenschaft vorstellen?«
Juraviel wich zurück und riss erstaunt die Augen auf. »Weil es das ist.«
Cazzira zuckte mit den Schultern. »Die Zeit, die du bei meinem Volk verbracht hast, war auch nichts anderes.« Mit dieser Bemerkung drehte sich die Doc’alfar abrupt um und ging hinüber zu ihren Kleidern, die sie zum Trocknen über einen Felsen auf der anderen Seite der Grube gebreitet hatte.
»Stimmt«, rief Juraviel ihr nach. »Sie war sogar noch unangenehmer als das hier! Deine Leute haben Brynn und mich in einem feuchten Erdloch gefangen gehalten!«
»In einer Torfhöhle«, berichtigte Cazzira. »Wo hätten wir euch denn sonst einsperren sollen? Wir hatten uns entschieden, euch nicht dem Torfmoor zu übergeben – dafür solltest du mir eigentlich dankbar sein.«
Juraviel entfuhr ein hilfloses Lachen. Kopfschüttelnd ließ er den Blick noch einmal zum oberen Grubenrand hinaufwandern.
»Im Übrigen hat Pherol sich offenbar entschieden, uns weder aufzufressen noch das Fleisch von unseren Knochen zu brennen«, fuhr Cazzira fort.
»Der Grund dafür ist mir noch immer schleierhaft.«
»Er ist dahinter gekommen, wer wir sind.«
»Und warum sollte er uns deswegen verschonen?«, fragte Juraviel. »Wann wären Touel’alfar oder Doc’alfar je Verbündete der Riesendrachen gewesen? Ich hätte gedacht, wenn Pherol von unserer Herkunft erfährt, würde er uns noch viel schneller mit seinem Feueratem verbrennen.«
Cazzira ließ sich mit einem Seufzer auf die Seite fallen und legte den Kopf in den Nacken. Ihre Körpersprache sollte Juraviel wohl daran erinnern, dass sie dieses Thema schon unzählige Male diskutiert hatten. »Es gibt vier Arten«, sagte sie. »Und zwar ausschließlich vier; die Doc’alfar und die Touel’alfar, die Kinder des Lebens sowie die geflügelten Dämonen und die Drachen, die Bestien des Todes.«
»So war es damals, aber doch jetzt nicht mehr.«
»Aber Pherol sieht die Welt noch immer so«, erklärte Cazzira. »Alle anderen Arten, Menschen, Pauris, Goblins und Riesen, sind in seinen Augen nichts als Tiere, Ungeziefer, das es auszurotten gilt. Wir beide dagegen, du und ich, stehen für zwei der wahren Arten und sind für den Drachen etwas Außergewöhnliches, eine Chance, Freundschaft zu schließen.«
»Auch wenn unsere Arten erklärte Feinde sind?«
»Wenn die betreffenden Arten auf ein paar wenige Einzelwesen dezimiert worden sind, hat das nicht viel zu bedeuten. Befänden sich die Tylwyn Doc und die Tylwyn Tou miteinander im Krieg und wir beide wären als Letzte noch übrig, würden wir uns dann weiter bekriegen?«
Um Juraviels Mundwinkel spielte der Anflug eines Lächelns. Gegen Cazzira Krieg zu führen, wäre für ihn völlig undenkbar, unter welchen Umständen auch immer, nicht, nachdem er all die Wochen in ihrer Gesellschaft verbracht und so viel über ihre Träume, Hoffnungen und ihre
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