Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Blick zu der Kranken und bedachte auch sie mit einem Lächeln, während er stolz erklärte, dass er Laura schon aus dem Sandkasten kenne.
Verschwinde endlich, dachte Laura und fühlte sich zu lahm, um sich auch noch über Ankes Besuch zu ärgern. Noch vor Augenblicken hatte Laura gedacht, diese Frau nicht wiedersehen zu wollen und schwupp, stand sie im Zimmer. Als die Tür hinter Klaus Nett zuschlug, hätte Laura beinahe vor Erleichterung laut geseufzt. Sie schaute zu Anke, die unschlüssig mit gerunzelter Stirn dreinblickte.
»Guten Tag, Frau Koll, ich ...«
„ Was wollen Sie denn noch?«, unterbrach Laura sie.
„ Ich war heute bereits hier, aber da schliefen sie anscheinend wie eine Tote, oh, Entschuldigung, das wollte ich so nicht sagen.«
Laura winkte mit einer schwachen Handbewegung ab. Anke redete sogleich weiter.
„ Ich habe Ihren Bruder kennengelernt. Er scheint sehr um Sie besorgt.«
„ Machen Sie sich bitte keine Gedanken. Sie konnten nichts dafür«, erklärte Laura mit kraftloser Stimme statt einer entsprechenden Antwort. Sie musste sich dringend schonen, damit sie bald nach Hause konnte. „Bitte, ich bin müde.«
„ Natürlich, verstehe ich, ... darf ich Ihnen meine Karte geben? Wenn Sie möchten, melden Sie sich bei mir. Ich würde mich freuen.«
Laura schielte zu der Visitenkarte auf ihrem Nachttisch. Nie und nimmer.
„ Wissen Sie«, fuhr Anke fort, »ich gehe gleich mit Ihrem Bruder essen. Wir trafen uns vor der Klinik, und er hat mich eingeladen.«
Oh nein, dachte Laura. Sie war entsetzter darüber, als sie im ersten Moment wahrhaben wollte. „Essen?«, hauchte sie kaum mehr ihrer Stimme mächtig und hoffte, dass diese Frau ihr nichts anmerken und die Reaktion auf ihre geschwächte Gesundheit schieben würde. Während Anke aufstand, um sich zu verabschieden, hob Laura nur leicht die Hand. Aber ihre Stimme hatte an Kraft gewonnen, als sie hinter Anke herschickte:
„ Denken Sie daran, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Leben Sie wohl.«
6
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Na so was, die Worte sprechen für sich, beziehen sie sich auf das Essen mit ihrem Bruder oder nur auf ihren Bruder?
„ Tja, was von beidem jetzt?«, murmelte Anke, während sie kopfschüttelnd die Klinik verließ.
Leben Sie wohl. Abschiedsworte. Laura Koll wollte sie nicht wiedersehen. Eine merkwürdige Frau.
Einige Zeit später stieg Anke die Wendeltreppe hoch zum ehemaligen Bonner Journalistenrestaurant Aktuell. Wie oft hatte sie in den letzten Jahren mit Wolf hier gegessen, diskutiert, gelacht und viel Spaß gehabt. Es war Wolfs und ihr Stammlokal, doch zusammen waren sie seit Monaten nicht mehr hier gewesen. Mit wachen Augen suchte sie das Lokal ab. Fabio Koll saß lässig dahingegossen auf einem der Hocker an der länglichen Bar und lächelte ihr entgegen. Langsam schritt sie auf ihn zu, während er bedächtig vom Barhocker glitt.
„ Schön, Sie endlich zu sehen, ich war schon in Sorge, dass meine Schwester Sie von unserem Treffen abgehalten hat«, begrüßte er sie. Anke ergriff die ausgestreckte Hand, überlegte kurz, ob sie ihm von Lauras Bemerkung erzählen sollte, entschied sich jedoch dagegen. So zog sie charmant ihre Lippen in die Breite und warf den Kopf leicht zurück, wobei die Locken wie beabsichtigt etwas mehr von ihrer Stirn freigaben. Diesen Kopfwurf habe ich drauf.
„ Wissen Sie eigentlich, wie bezaubernd Sie aussehen, wenn Sie lächelnd den Kopf zurückwerfen und ihre Löckchen einen so reizenden Schubs bekommen.«
Will der mich hochnehmen?
„Glauben Sie mir, sehr reizvoll«, fügte er nach.
Du meine Güte.
„Sie Schmeichler«, fiel Anke auf so viel Schmus nur ein.
„ Oh nein, ganz und gar nicht. Ich bin normalerweise geizig mit Komplimenten.«
Anke grinste in sich hinein und zog es vor zu schweigen, denn sie hielt es für besser, ihn nicht noch zu weiteren Nettigkeiten hinzureißen. Das hätte sie nicht ausgehalten. So fragte sie rasch. „Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier?« Gleichzeitig zeigte sie auf einen freien Tisch in ihrer Nähe.
Fabio nickte vehement.
„ Ich habe einen Bärenhunger«, ließ Anke ihn wissen, derweil sie wenig elegant auf den Stuhl sackte. „Essen wir einmal die Karte rauf und runter?«
„ Auch zweimal, meine Dame, wenn Sie es wünschen«, scherzte Fabio zurück.
Nachdem die Bestellung aufgegeben war, rieb Fabio sich die Hände wie zum Angriff, woraufhin Anke ihn gespannt ansah.
„ Sie sind also Journalistin ...?«
Oh je.
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