Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
ist es umgekehrt.«
„ Sehen Sie, und damit haben wir noch mal etwas, das uns verbindet«, betonte Fabio mit diesem ganz eigenen Timbre in der Stimme, das ihr gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft aufgefallen war.
„ Aus welcher Gegend Italiens stammt ihre Mutter?«
„ Cariati«, antwortete er, „ein kleiner Ort in der Provinz Cosenza in ...«
„ Kalabrien«, fiel Anke ihm ins Wort, „und dort ist die Mafia Organisation Ndrangheta tätig«, lachte sie unverblümt. Darauf hin trank sie einen kräftigen Schluck des trockenen Ahrweins, worin Fabio ihr sogleich folgte.
„ Hab ich recht?«, lachte sie erneut, währenddessen sie das Glas sanft neben ihrem Teller abstellte. Fabio blinzelte sie an und verzog den Mund. Noch wollte sie die Peinlichkeit dieses Themas übersehen. Aber sie fragte sich laut.
„ Wie komme ich denn jetzt darauf? Ach ja, ich las kürzlich ein Buch über einen Mafiakiller, Kronzeuge der italienischen Polizei, der heute im italienischen Zeugenschutzprogramm lebt.« Im nächsten Moment schlug die Anti-Mafia-Italienerin in ihr durch. „Er hat zur Festnahme von rund fünfzig Mafiosi beigetragen«, erläuterte sie: „Giorgio Basile. Er stammt auch aus Kalabrien. Die kalabresische N'drangheta ist inzwischen eine der mächtigsten Mafiaorganisationen und wurde lange Zeit von Polizei und Staat unterschätzt. Aber das wissen Sie wahrscheinlich.«
Fabio wiegte einige Male seinen Kopf. „Alle Achtung.«
In ihrem Eifer überhörte Anke seinen befremdlichen und leicht spöttischen Unterton.
„ Von jeder verkauften Pizza in Deutschland lebt die Mafia mit.«
Jäh wurde ihr Fabios Einsilbigkeit bewusst. Sogleich beendete sie ihren weiteren Erzähldrang über die Mafia. E gal, ob Voll- oder Halbitaliener, die Mafia ist für die meisten Italiener ein heikles Thema. Ich muss auf jeden Fall vorsichtig sein. Vielleicht ist er sogar ein Mafiamitglied? Das wär's noch. Anke hing weiterhin ihren Überlegungen nach, als Fabio sie fragte:
„ Beschäftigen Sie sich als Journalistin auch mit der Mafia?«, wobei er das Wort auch mit einer gewissen Ungläubigkeit belegte. Sie verneinte energisch. Viel zu emotionsvoll, ärgerte sie sich, also korrigierte sie sich und stellte die Gegenfrage. Dabei versah sie das Wörtchen auch mit der gleichen Betonung wie Fabio.
„ Warum sollte ich nicht auch über die Mafia schreiben? Wäre das allgemein so komisch? Oder nur für Sie?«
Anke spürte etwas in sich, das ihr missfiel, zudem fühlte sie sich einen winzigen Moment allein durch seinen Blick und sein kurzes Auflachen hochgenommen. Eigensinnig setze sie nach. „Außerdem lese ich viel und auch darüber.«
„ Ich kann sie nur warnen. Legen Sie sich nur nicht mit denen an, das könnte unter Umständen heiß für Sie werden«, schien sich Fabio Koll noch immer zu amüsieren.
„ Sie scheinen sich ja gut auszukennen in den Kreisen«, konterte sie mit gespieltem Respekt.
Er lächelte geheimnisvoll. „Oh, ich lese unter anderem auch viel und auch darüber.«
Unter anderem? Ist Fabio tatsächlich ein Mafioso? Doch in der nächsten Sekunde trotzte Anke ihrem merkwürdigen Gefühl. So sah er nicht aus. Aber wie sieht denn ein Mafioso aus ?
Sie aßen weiter, schwiegen dabei gerade so lange, bevor es peinlich wurde, um sich dann beide gegenseitig gleichzeitig zu fragen, ob sie Italien häufig besuchen würden. Ein befreiendes, gemeinsames Lachen darüber brach den dünnen Eisfilm zwischen ihnen.
„ Aber aufgewachsen bin ich in Dortmund, auch meine Mutter hat vorher dort gelebt, ehe sie meinen Vater kennenlernte. Doch sie wollte, dass ich in Italien geboren werde.« Er schien sich noch immer über den Wunsch der Mutter zu erheitern. „So fuhr sie kurz vor der bevorstehenden Geburt nach Cariati.«
„ Das kann ich verstehen«, ließ Anke verlauten und schluckte rasch das durchgekaute Fleischstückchen herunter. „Und ihre Schwester?«, meinte sei, währenddessen sie eine Gabel gedrehter Nudeln in den Mund schob. „Sie hat so gar nichts Italienisches, die blonden Haare ...« Anke stutzte. Blitzschnell überdachte sie, ob es prekär wäre, die just in ihren Kopf geschossene Frage zu stellen. Erlaubte es sich aber einfach. „Wieso trägt Ihre Schwester eigentlich diese blonde Perücke? Oder besser gesagt trug?«
Fabio sah sie für einige Sekunden mit leicht zusammengekniffenen Augen an, als überlege er, woher sie das wissen könnte?
„ Der Unfall ...,« half ihm Anke auf die Sprünge.
Sein Gesicht entspannte
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