Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Bonner Projekt gegen Sexualdelikte „ASS«: Anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftat , berichtete und darüber auch häufig mit der Beratungsstelle zu tun hatte, war mit der Leiterin Sandra Molek ein freundschaftlicher Kontakt entstanden.
Die Haarbürste hielt Ankes hastigen Bewegungen, mit denen sie ihre roten Locken malträtierte, nicht stand. Der Stiel brach und der Bürstenkopf blieb im Haar hängen. Sie schleuderte den Stiel in den Abfallkorb, zerrte sich die Bürste aus dem Haar und warf sie hinterher.
Beruhige dich!
„ Diese Mistkerle! Anscheinend ist denen nicht beizukommen«, schimpfte sie in den Spiegel und hörte unvermittelt damit auf, weil sie sich plötzlich wahrnahm und betrachtete.
Mein ganzer Charme ist weg. Da hilft auch kein Rouge.
Der Unfall gestern Nacht steckte ihr nicht nur in den Knochen, sondern auch im Gesicht. Also ließ sie auch den Lippenstift weg und die Haare einfach hängen, wie sie waren. Etwas zu heftig fiel die Badezimmertür hinter ihr zu.
Mist, das war zu laut.
Und schon hörte sie Wolf fluchen. Bevor sie die Wohnungstür betont leise schloss, rief sie ihm mit versöhnlicher Stimme zu: „Ich küss dich, bis später!«
In der Beratungsstelle schaute Sandra Molekt sie an, als erwarte sie einen wichtigen Hinweis von Anke. Sie schlürfte einen Kaffee, aber sie schmeckte ihn nicht.
„ Das ist jetzt das vierte Mädchen innerhalb von vier Monaten«, äußerte Anke betroffen, „das Vierte, von dem wir wissen.«
Sandra antwortete: „Einmal im Monat scheint es jemand zu überkommen.«
„ Das vierte Mädchen«, wiederholte Anke und gestikulierte mit den Händen, „von dem wir überhaupt Kenntnis haben. Wer weiß, wie vielen so etwas passiert, die aus Scham hinterher schweigen.«
Sandra Molek nickte: „Vermutlich ist die Dunkelziffer beachtlich.«
„ Erzähl.«
Sandra holte erst einmal Luft, ehe sie begann. „Das Opfer fand sich in den frühen Morgenstunden nahe Rolandswerth wieder. Die Erinnerungen an die letzten Stunden, genau wie bei den anderen auch, sind völlig lückenhaft oder kaum vorhanden.«
»Und weiter?«
„ Der erste Passant, der seinen Hund ausführte und sie fand, ließ sie von seinem Handy die Mutter anrufen. Die wiederum hatte ihre Tochter bereits bei der Polizei vermisst gemeldet und brachte sie auf deren Anraten hierher.«
Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich. Angelika Frieder, eine der Sozialarbeiterinnen, trat hindurch, zog sachte die Tür hinter sich zu, grüßte Anke kurz und sagte zu ihrer Kollegin gewandt. „Sandra, du solltest noch mal mit ihr reden. Die Mutter ist aufgelöster als die Tochter.«
Anke wartete eine halbe Stunde, bis Sandra Molek, gefolgt von dem Mädchen und seiner Mutter nach dem Gespräch das Zimmer betrat. Der Teenager war blass, schien übernächtigt und blickte lethargisch vor sich hin, als befände er sich noch immer im Nebel, worauf Anke ihr Vorhaben aufgab, das Mädchen zu dem Vorfall zu befragen. Die Augen der Mutter glühten vor Aufregung.
Sie geht sicherlich auf mich los, wenn ich auch nur eine Frage stelle.
Alle drei passierten schweigend den Raum, in dem Anke gewartet hatte, und verschwanden im Flur. Wieder eines dieser jungen Dinger mit einem hübschen Gesicht und langen Haaren, einem erregenden bauchfreien Top, sexy und hungrig auf Leben. Allerdings hatten die Haare des Mädchens Anke einen Moment stutzen lassen, aber sie kam nicht drauf, wieso? Die Augen des Opfers waren fragend und unsicher gewesen und in Anke blieb ein sonderbares Gefühl zurück.
Die Augen ? Hatte sie nicht trotz allem ein Blitzen darin gesehen?
Vom Fenster aus sah Anke zu, wie Sandra vor dem Haus die Taxitür zuschlug und dem Wagen eine Weile nachdenklich hinterher schaute.
„ Also, wie soll mein Text ungefähr lauten?«, fragte Anke, kaum dass Sandra zurück war, und hielt ihr das Aufnahmegerät hin.
„ Ähnlich wie gehabt: Besuch in der Bonner Disco Popcorn. Getränk Bitter Lemon, während des Toilettenbesuchs sollte jemand auf die Getränke achten, nach Rückkehr trank sie noch ihr Glas leer, verließ die Disco und wachte nach circa sechs Stunden später am angegebenen Ort auf. Keine Erinnerung. Sie klagt über starke Unterleibsschmerzen.«
„ Alle aus de m Popcorn«, murmelte Anke und bemerkte auf einmal ihre Unkonzentriertheit. Sie war keineswegs so emotionsgeladen wie üblich bei der Sache. Ich mache einen schlechten Job.
Ihre Gedanken wechselten sogleich in die Frage: w ie es meinem Unfallopfer wohl
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