Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
zersplitterte.
„Entweder hast du unverschämtes Glück oder aber der Teufel hat dir wieder einmal beigestanden!“, hörte Berthold eine Stimme hinter sich sagen und drehte sich um. Es war Hermann Etzelroth, der Sohn des Vogts, der ihn mit versoffenem Gesicht ansah. Er musste schon seit Stunden in der Wirtschaft gewesen sein. Da Hermann von Haus aus über eine gut gefüllte Börse verfügte, war der ständige Genuss von Bier und Würzwein für ihn kein Problem. Es war bekannt, dass Hermann viel trank und ein höchst unangenehmer, brutaler Zeitgenosse war, vor allem, wenn er einige Bier zuviel getrunken hatte. Aber da er der Sohn des Vogtes war, wagte nur selten jemand, das Wort oder gar die Hand gegen ihn zu erheben.
„Ich werde dir deine Teufeleien schon austreiben, du Hexer“, lallte Etzelroth und stürzte sich auf Berthold, der vor ihn getreten war und nun mit dem Rücken zum Bachlauf stand. Rasch wandte er sich nach links und ließ den torkelnden Angreifer ins Leere schlagen. Mit einem Stoß, den er Hermanns Bewegung aus der Drehung heraus hinzufügte, beförderte er ihn in den Bach. Der Sohn des Vogtes schlug sich im Fallen das rechte Knie an der Sandsteineinfassung des Baches auf, prallte mit dem Gesicht hart gegen einen Holzpfahl, der sich auf der anderen Seite befand, und stürzte rücklings in den Sterzbach. Besinnungslos blieb er darin liegen, während das seichte Wasser fast friedvoll sein blutendes Gesicht umspülte. Schankwirt Gruber, der das Schauspiel von der Türschwelle aus beobachtet hatte, eilte zu Berthold.
„Rasch, verschwinde! Wenn er wieder zu sich kommt, darfst du nicht mehr hier sein!“
Berthold nickte: „Danke, Gruber. Du hast schon viel für mich riskiert.“
Der Schankwirt winkte jedoch ab: „Red’ kein dummes Zeug! Eine Hand wäscht die andere. Geh jetzt!“
Während sich Berthold, so schnell er konnte, in Richtung Osttor entfernte, zog Gruber den Ohnmächtigen aus dem Bach und legte ihn auf die Gasse. Berthold hatte ihm einmal aufgrund einer Vorahnung von einem unüberlegten Geschäft mit einem Händler abgeraten, der, wie sich kurz darauf herausstellte, schon etliche Bürger in der Gegend betrogen hatte und etwas später auch im Schuldturm endete. Das hatte ihm der Wirt nie vergessen und stand zu ihm, obwohl es auch für ihn nicht ungefährlich war.
„Was ist mit ihm geschehen?“, fragte ein Gast, der gerade aus Grubers Wirtschaft kam, um in den Bach zu pinkeln.
„Ich weiß auch nicht“, log Gruber, „der besoffene Kerl muss wohl in den Bach gestürzt sein und hat sich dabei das Hirn angehauen.“
Berthold beeilte sich, nach Hause zu kommen, erzählte aber niemandem davon, dass er in Langen gewesen und sich mit Hermann Etzelroth geschlagen hatte. Die Stimmung war traurig genug und er wollte seine Familie nicht noch mit weiteren Sorgen quälen. Das letzte gemeinsame Abendessen war sehr still, fast so, als ob man sich nichts zu sagen hätte, obwohl das Gegenteil zutraf.
Gesprächsstoff hätte es wahrhaft genug gegeben. Vergangenes, Gefühle, Gemeinsames und Zukünftiges – doch wer traute sich heute Abend, an so etwas zu denken? Wer wagte es, zu hoffen? Also blieben alle lieber still und in sich gekehrt. Wortlos ging das Essen vorüber. Berthold wünschte danach allen eine gute Nacht und begab sich auf sein Zimmer. Obwohl er die Nähe seiner Familie suchte, konnte er die gedrückte Stimmung nicht mehr ertragen.
Eine letzte Nacht auf unserem Gut, dachte Berthold, als er die steile Treppe zu seiner Kammer erklomm. Er öffnete die Tür, trat ein und schloss sie hastig hinter sich. Niemand sollte ihn so sehen. Dann warf er sich auf sein Strohlager und weinte hemmungslos. Er weinte so heftig, dass es ihn schüttelte. Er weinte alles aus sich heraus: die verlorene Liebe, die Einsamkeit, den Schmerz und die Furcht. Nachdem er keine Tränen mehr hatte und wieder klarer denken konnte, begriff er, dass es nun ganz in seiner Hand lag, wie sein Leben weiterging. Er war noch nie so einsam, aber auch noch nie so reif und erwachsen gewesen. Seinen eigenen Weg musste er finden und er wusste, dass das nicht einfach werden würde und auch keineswegs gefahrlos. Aber er hatte das Ziel klar vor Augen: seine Rückkehr und vor allem Gerechtigkeit.
Berthold verzichtete darauf, sich auszuziehen. Er drehte nur die tränenfeuchte Decke um, die er in warmen Nächten zusammenrollte und als Kopfkissen benutzte, und fiel völlig erschöpft in einen unruhigen Schlaf.
Ein schwarzer
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