Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Reiter kam vom Horizont her angeritten. Er saß auf einem tiefschwarzen Hengst, dessen nass geschwitztes Fell in der untergehenden Sonne glänzte und unter dem die Muskeln spielten. Das Pferd ritt schnell und bewegte sich mit solcher Kraft, dass die Erde erzitterte. Obwohl Berthold noch einige hundert Schritte entfernt stand, konnte er es spüren. Aus den Nüstern des Pferdes stob schwefelgelber Dampf. Die Spur seiner Hufe hinterließ verbrannte Erde. Berthold kam es vor, als würde ihn der Hengst mit seinen glühenden Augen durchbohren.
Der Wind spielte schemenhaft mit dem Umhang des schwarzen Reiters. Berthold konnte ihn unmöglich auf diese Entfernung erkennen, doch er wusste, dass er das Böse war. Er kannte ihn. Er spürte ihn.
Der Reiter zog sein Schwert und hob es über seinen Kopf. Die blanke Klinge reflektierte zuerst nur die untergehende Sonne, die die Wolken von blutrot bis schwarz-violett entflammt hatte. Doch dann begann das Schwert zu singen. Ein hoher, schneidender Ton, der die ganze Luft mit seinen Schwingungen erfüllte. Berthold drehte sich um. Doch wohin er auch blickte, er sah nur Horizont. Als er an seinen Füßen herabblickte, bemerkte er plötzlich, dass er in Ketten lag und an einen Pfahl gebunden war, der aus einem Scheiterhaufen emporragte.
Zwei in dreckige Lumpen gehüllte Knechte mit warzigen, pockennarbigen Gesichtern und zahnlos grinsenden Mündern standen davor und hielten brennende Pechfackeln in den Händen. Das entflammte Pech tropfte auf ihre Arme und ihre Lumpen. Es stank bestialisch nach verschmortem Fleisch, doch das schienen sie gar nicht zu bemerken.
„Bereust du? Schwörst du ab, Berthold Graychen?“, schrie der Reiter dröhnend, als er näherkam. Seine Worte schienen von überallher zu kommen und gellten unerträglich in Bertholds Ohren.
„Was soll ich bereuen? Wem soll ich abschwören?“, rief Berthold und wand sich verzweifelt. Die Ketten, mit denen seine Arme hinter dem Pfahl gefesselt waren, schnitten sich schmerzhaft in sein Fleisch.
Inzwischen war der schwarze Reiter herangekommen und brachte seinen schnaubenden Rappen am Fuß des Scheiterhaufens zum Stehen.
„Du willst nicht?“, rief der Reiter und funkelte Berthold an. „Gut, dann sollst du brennen!“ Er lachte und befahl den beiden Knechten mit mächtiger Stimme: „Übergebt ihn den reinigenden Flammen!“
Die Knechte lachten irre und hielten ihre Fackeln an das trockene Holz, das sofort knisternd aufflammte. Angefacht vom Wind, schlugen die Flammen rasch höher, rasten auf Berthold zu und leckten mit gierigen Zungen nach ihm. Beißender Rauch stieg auf, nahm Berthold den Atem und drang in seine Augen. Kaum noch konnte er durch die beißenden Schwaden hindurch den Reiter erkennen, der nun von dem Rappen sprang und in eine der Satteltaschen griff.
„Sieh, was ich dir mitgebracht habe“, sagte er lachend zu Berthold und schleuderte einen großen dunklen Gegenstand zu ihm hinauf auf den Scheiterhaufen. Mit einem matschigen, dumpfen Knirschen schlug dieser vor Bertholds Füßen auf. Bertholds Augen quollen aus ihren Höhlen und er holte würgend Luft, als er erkannte, was da vor ihm lag: Es war der abgetrennte Kopf des lahmen Franz. Blicklos starrten seine toten Augen auf Berthold.
Berthold brüllte seine ganze Wut und Ohmacht heraus und zerrte aus Leibeskräften an den Ketten, die mittlerweile glühendheiß waren. Er wollte fort, doch er konnte sich kaum bewegen. „Mörder!“, schrie er den schwarzen Reiter hilflos an, doch seine Worte wurden von dessen höhnischem Gelächter übertönt, in das nun auch die beiden Knechte einstimmten.
Lachend riefen sie seinen Namen: „Berthold! Brennen sollst du, Berthold Graychen. Brennen!“
„Brenn, Berthold! Berthold!“
„Berthold! Berthold!“
Erschreckt und schweißnass fuhr Berthold auf und sah in das vertraute Gesicht seiner Mutter. Sie saß an seinem Bett, fasste seine klamme Hand und strich ihm mit der anderen über die Haare. „Auch ich habe keine guten Träume gehabt heute Nacht, mein Sohn, aber du musst jetzt fort, es ist schon spät und jede Stunde ist ein Geschenk an Etzelroth und seine Häscher.“
Berthold nickte und erhob sich von seinem Lager.
„Doch vorher muss ich dir noch etwas geben und dir dazu eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte für dich. Deine Geschichte. Niemand weiß davon, außer mir. Selbst deinem Vater habe ich sie nie erzählt. Ich habe lange selbst nicht daran geglaubt, aber es ist so gekommen, wie er
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