Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Nacht wird gefeiert, morgen früh wird ausgeschlafen, aber morgen Mittag müsst ihr wieder einsatzbereit sein. Wir brauchen Kundschafter, die den Weg nach Osten ausspähen. Unser Feldzug muss weitergehen.«
Der Abend dämmerte, die ersten Sterne tauchten am Himmel auf, als er sich umwandte und zurück in die brennende Stadt ging. Noch immer ertönten in unregelmäßigen Abständen Schreie, noch immer rannten Jäger und Gejagte durch die Stadt, aber die Lage beruhigte sich langsam. Längst schon hatten sich Trupps gebildet, die die Häuser systematisch nach Frauen und Plündergut durchkämmten. Wer jetzt noch alleine unterwegs war, riskierte es, von einem der Trupps beraubt, verprügelt oder im schlimmsten Fall gar umgebracht zu werden, unabhängig davon, ob es sich um Fomorer oder Kelten oder Germanen handelte. Die Stadt war das Ventil, an dem seine Truppen ihre angestauten Gefühle abließen, und das war gut so.
Er erreichte die Brücke über die Rauma etwa im gleichen Moment, in dem auch Geshier von seinem Botenritt zurückkehrte. Der Mann ließ sich mit angewiderter Miene vom Pferderücken gleiten und erwartete ihn auf der anderen Seite. »Euer treuer Bote ist zurückgekehrt!«, erklärte Geshier spöttisch und verbeugte sich tief.
Rushai verkniff es sich, nach dem Mann zu treten. Die Komposition war vorüber, das Lied schwang bereits in ihm, und die kleinliche Befriedigung war es nicht wert. Der geschminkte Schatten war ein guter Mann, trotz seiner Arroganz. Seinen Stolz zu beleidigen würde einen gefährlichen Feind aus ihm machen. »Sprich!«
»Sehr wohl, Herr. Eure Generäle berichten, Eure Aufträge ausgeführt zu haben. Tal’rash befindet sich mit der Nachhut weiterhin im Isterdal, E’korr ist nach Osten vorgerückt und blockiert dort das Tal der Isa. Ta-Shirra ist mit seinen Kräften den Rauma entlang vorgestoßen und sichert die Route zu den Helvetiern. Der kleine Sergej bewacht noch immer den Hafen, Zhûl hat den Rest Eurer Ranger aufgeteilt und sie unter der Führung Eurer Hauptmänner ausgeschickt, die Bergwälder in der Umgebung zu durchstöbern. Im Westen haben wir eine unserer Fjordpatrouillen in einem Hinterhalt verloren. Centurix hält es für einen lokalen Widerstand, die Bewohner sind in den Bergwald geflohen.«
»Neuigkeiten von Trollstigen?«
»Nichts. Nada. Ingenting. Rien. Nothing. Auf der Festung ist es genauso ruhig wie überall.«
»Hmmm.« Rushai wunderte sich, ob es tatsächlich so bleiben würde. Es würde so gut ins Bild passen, wenn Derrien hier sein eigenes Spielchen spielte. Rushais Bauchgefühl sagte ihm, dass Trollstigen nicht so sicher war, wie er glaubte, weshalb die Garnison, die er dort zurückgelassen hatte, doppelt so groß war, wie ursprünglich vorgesehen. Fünfhundert Krieger mussten ausreichen, die Festung zu halten. Ob es die Waldläufer wohl woanders versuchen würden? Ob etwa Derrien hinter der verschwundenen Patrouille steckte?
Wortlos wandte sich Geshier zum Gehen, doch Rushai griff nach seiner Schulter und hielt ihn zurück. »Als mein treuer Bote wirst du noch einmal hinausreiten und dich bei den vorgeschobenen Posten erkundigen. Und beeile dich, ich erwarte deinen Bericht noch vor dem Morgengrauen.«
Ich misstraue dem Frieden
, fügte er in Gedanken hinzu. Doch das ging Geshier nichts an.
»Es wäre an der Zeit, mir eine Pause zu gönnen«, knurrte Geshier. Doch entgegen seiner Worte trottete er zurück zu dem Pferd, das er so verabscheute.
Nachdem das Jokerface losgeritten war, um seinen Auftrag zu erfüllen, begann Rushai damit, nach und nach das Chaos in Kêr Bagbeg unter Kontrolle zu bringen. Er schickte Reitertrupps los,die die verstreuten Siedlungen an den Fjordufern in Besitz nehmen würden, er richtete Sammelstellen ein für allerlei Plündergut, insbesondere aber für Waffen und Rüstungen, er ernannte Hauptmänner für die Nachtwache in der Stadt und die Patrouillen in der Umgebung. Alles andere ließ er seine Unterführer erledigen; Rushai war lange genug Anführer gewesen, um genügend fähige Männer für diese Aufgaben zu haben. Doch all diese Organisation kostete Zeit, Zeit, in der die Feuer in der Stadt niederbrannten, in der die Verletzten versorgt oder getötet wurden, in der sich seine Armee neu ordnete. Es war weit über Mitternacht, als Kêr Bagbeg schließlich zur Ruhe kam. Rushai bezog mit seinen engsten Vertrauten das letzte der großen Langhäuser der Wikinger und bereitete sich auf eine kurze Nachtruhe vor.
Geshier fand ihn,
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