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Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Schattengesicht (quer criminal) (German Edition)

Titel: Schattengesicht (quer criminal) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Wagner
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abwechselnd hier und in der Küche arbeiten“, sagte Sandra.
    Ich habe mich mit an ihren Tisch gesetzt, mich den anderen vorstellen lassen. Und wieder haben sie es mir leicht gemacht. Ich musste nur nicken und hin und wieder lächeln.
    „Warum bist du hier?“, fragt Ilka plötzlich, als wir nach dem Abendessen durch den Gang gehen. Vor Nummer 13 bleibe ich stehen.
    Um neun ist Nachtverschluss, und morgen früh geht es zu Tillmans .
    Arbeit ist etwas Seltenes hier, hatte Sandra betont, ein Ausblick. Es gibt nicht viele Werkstätten, die mit Strafvollzugsanstalten zusammenarbeiten. Ich habe Glück, ich habe einen Platz zugeteilt bekommen. Manche Frauen müssen den ganzen Tag in ihrer Zelle hocken. Taschen. Tillmans fertigt Taschen an.
    „Mila?“
    Ich schrecke zusammen. Sehe sie an. „Ich hab jemanden umgebracht.“

II Mintgrün - Zwei Monate zuvor
    Als ich zum Feierabend die Tür zur Umkleide öffnete, schlug mir eine betäubende Wolke aus Haarspray und Parfum entgegen. Alles war leer. Die anderen Zimmermädchen waren schon weg, ich war die letzte aus der Tagesschicht.
    Ich ging quer durch den Raum und öffnete das Fenster. Es war ein deprimierender Apriltag. Der Hotelportier lief neu ankommenden Gästen mit einem Schirm entgegen. Seit morgens regnete es ununterbrochen.
    Ich wendete mich ab und knöpfte das mintgrüne Kleid auf. Bevor ich es in den Sack für die Wäscherei warf, nahm ich das weiße Schildchen ab, auf dem Mila stand. In dem daneben stehenden Sack waren saubere Kleider, und ich suchte eins in Größe S heraus, heftete das Schildchen wieder an und hängte das Kleid in den Spind. Wenn man erst am Morgen dazu kam, nach einem Kleid zu suchen, konnte es passieren, dass es keins mehr in der richtigen Größe gab, und man lief den ganzen Tag in einem mintgrünen Sack herum. Was unsere ohnehin schon groteske Kostümierung noch verschlimmerte.
    Die Kleider reichten bis zum Knie und wurden vorn mit einer Reihe weißer Plastikknöpfe geschlossen. Es war ein weißes Schürzchen angenäht, das keinerlei Funktion hatte. Es sah nur drollig aus. Puffärmel und ein runder, weißer Kinderkragen – kein Wunder, dass keiner uns Mädchen ernst nahm.
    Dabei war unsere Arbeit elementar. Elementarer sogar als die der Hostessen, die uns wie Fußvolk behandelten, sich in der Kantine niemals zu uns setzten und kein Wort an uns richteten, außer wenn sie eine Kippe wollten.
    Die Hostessen trugen Tiefrot. Knöchellange, enge Röcke, Hackenschuhe in demselben Farbton, ehrfurchtgebietend weiße Blusen, tiefrote Fliegen. Tiefrot ist eine Farbe, die man nie belächeln würde. Wenn man etwas Tiefrotes von Weitem auf sich zukommen sieht, strafft man sich innerlich.
    Die Liftboys trugen Dunkelblau, die Portiers Schwarz und Silber, der Zimmerservice ein diskretes, beflissenes Ocker. Mintgrün hingegen war eine Farbe wie Zuckerwatte, alle Mädchen leuchteten darin weithin, und bis wir in jemandes unmittelbare Nähe kamen, hatte derjenige genug Zeit, seine Gesichtszüge ins Verächtliche oder Anzügliche rutschen zu lassen.
    Ich griff nach meinen Sachen vom Morgen. Sie waren immer noch klamm, und ich fröstelte, als ich die Jeans anzog. Am Personaleingang lächelte mir der Pförtner hinter seinem Glasfenster entgegen. Ich gab ihm meine Tasche durch, und er warf nur einen kurzen Blick hinein und schob sie dann zurück. „Bis morgen.“ Ich nickte kurz, wie die anderen Mädchen, die alle kaum Deutsch sprachen. Und ich lächelte, weil alle Mädchen die Pförtner anlächeln.
    Als ich die Tür aufstieß, sprühte mir der Regen ins Gesicht. Ich zögerte kurz und blieb stehen, doch dann spürte ich den aufmerksamen Blick des Pförtners im Rücken und trat hinaus. Dieses Zögern, dachte ich, musst du dir endlich abgewöhnen.
    Die Pförtner wussten, dass alle Mädchen nach Feierabend über den Boulevard nach Hause schlenderten. Also spannte ich den Schirm auf und schlenderte über den Boulevard. Ich zwang mich, langsam zu laufen und hielt das Lächeln straff. Passte mich dem Gondeln der Touristen an. Schaute in die Schaufensterauslagen. Blieb hin und wieder stehen. Wie alle.
    Ich wäre schneller zu Hause, wenn ich den direkten Weg an der Hauptverkehrsstraße entlang nehmen würde, aber es wäre zu einfach, mir zu folgen. Ich hatte mir einen anderen Weg ausgearbeitet.
    Nach einer Weile auf dem Boulevard kam ich bei den Arkaden an, glitt aus den Reihen der Flanierenden in eins der Glasmäuler,durchquerte eilig, aber nicht hastig mehrere

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