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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Haut bohren. Pochender Schmerz hinter seiner Stirn quittierte die Bemühungen, sich nicht die Nase am Boden aufzuschlagen, und schließlich drehte er mühsam den Kopf, um die Qual von nun an dem Wangenknochen aufzubürden. Jede weitere Bewegung würde seine Bewacher zwingen, sich seiner in wenig angenehmer Weise anzunehmen, und das wollte er Kheeta und Säaban, die reglos irgendwo in der Nähe standen, nicht zumuten. Die Wunden auf der Rückseite seiner Hand fingen an zu stechen, und er krümmte seine Finger in dem vergeblichen Versuch, den Schmerz zu unterdrücken.
    Irgendwann, später, huschte etwas über eben diesen Handrücken. Ein Fingerling, vermutete seine überlastete Phantasie mit einem Anflug von Hoffnung. Er presste die Augenlider fest zusammen, als, was immer es auch war, seine Nase untersuchte. Dann gestattete er sich doch einen raschen Blick. Ein grüner Käfer krabbelte eilends von dannen, und sein Rückenpanzer glitzerte wie eine zarte Glasur, als er eine sonnige Stelle überquerte.
    Heute keine Drachen für Seregil.
    Er hatte geglaubt, es würde eine Erleichterung sein, wenn der Iia’sidra endlich zusammenträte, doch das war ein Irrtum. Ohne die Augen zu öffnen, wusste er, dass die Ratsmitglieder dicht an ihm vorbeigingen. Manche blieben stehen, um auf seinen Rücken hinabzustarren. Die Last dieser Blicke auf ihm war entsetzlich, schlimmer noch als vor all den Jahren in Bôkthersa.
    Ich hätte es mir sparen können, mein Leben damit zuzubringen, keine Aufmerksamkeit zu erregen, dachte er benommen. Sein Herz pochte heftig, bis er glaubte, es würde ihn mit jedem einzelnen Schlag durchschütteln. Sahen sie das denn nicht? Er presste die Hände fester auf den Boden und betete im Stillen, dass sie endlich anfingen.
    Das Scharren von Füßen hielt noch einige Minuten an, und er konnte hören, wie die Leute um ihn herum ihre Plätze einnahmen und sich untereinander unterhielten. Jemand erzählte von den frischen Preiselbeeren, die er zum Frühstück verspeist hatte. Etwas weiter entfernt sprach Ulan í Sathil über Handelswege und das Wetter. Niemand nannte seinen Namen. Wie ein vergessener Lumpenhaufen lag er in der Mitte all dieser Leute, bebte unter der Last all ihrer Blicke. Das Sonnenlicht hatte inzwischen seine Fingerspitzen erreicht und erinnerte ihn daran, wie kalt der Rest seines Körpers sich anfühlte. Gepeinigt lauschte er dem Puls, der sich in seinen Ohren wie gedämpfter Donner anhörte.
    Bitte, Aura, lass sie doch endlich anfangen!
    Endlich hörte er das feierliche Bimmeln der Ratsglocke. Bäuchlings am Boden liegend stellte er sich zu jedem einzelnen Redner ein Gesicht vor, als der Iia’sidra begann, seinen Fall zu verhandeln.
    »Adzriel ä Iriel«, sagte Brythir. »Ein Mann aus Eurem Clan hat die Gesetze des Teth’sag gebrochen, das über ihn verhängt war.«
    »Seregil, ehedem Seregil í Korit von Bôkthersa, liegt vor Euch. Lasst die Anklage verkünden.« Es tat gut, die Stimme seiner Schwester zu hören, und er konzentrierte sich auf die Richtung, aus der sie erklungen war. Alec und die Skalaner würden auch dort sein und ihn sehen. Der Gedanke jagte eine unangenehme Hitze in seine Wangen.
    »Ich spreche für den Iia’sidra«, fuhr Brythir fort. »Seregil í Korit hat sich den Bedingungen für seine Rückkehr widersetzt. Er hat die heilige Stadt im Schutze der Nacht verlassen. Er hat Waffen bei sich getragen und sie gegen andere Aurënfaie eingesetzt. Er hat ein aurënfaiisches Gewand angelegt und sich wie ein Spion unter uns bewegt.«
    Er hörte Stuhlbeine knarren. Dann setzte Nazien die Litanei fort. »Seregil í Korit hat die Bedingungen des Exils gebrochen, das ihm für den Mord an meinem Verwandten, Dhymir í Tilmani Nazien, auferlegt wurde.«
    Die längst vergessene Stimme seines Vaters hallte durch seinen Schädel. Er hatte einen Namen, dieser Mann, den du getötet hast!
    Ja, mein Vater, das habe ich nie vergessen.
    Schritte näherten sich. Dann zerrten starke Hände Seregil auf die Knie.
    »Nur Mut«, wisperte Kheeta.
    Seregil legte die Hände auf die Oberschenkel und ließ den Kopf hängen. Vor ihm saß der alte Silmai, doch er konnte aus den Augenwinkeln auch Adzriel und die anderen sehen. Korathan war dort und Klia in ihrer Sänfte. Alec konnte er nicht sehen, und für den Augenblick war er dafür dankbar.
    Er hatte sich damals nicht gestattet zu weinen, als er sich seinen eigenen Angehörigen mit Gras im Gesicht und an den Kleidern unter dem klaren Himmel über

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