Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Bôkthersa stellen musste. Er hätte gern geweint, und doch hatte er die Tränen niedergekämpft, bis sie so tief in seinem Inneren versunken waren, dass er ihnen viele Jahre nicht mehr begegnet war.
»Seregil í Korit, Ihr habt die Anschuldigungen vernommen. Beschuldigungen, die, so sie bewiesen sind, Schande über den ganzen Clan der Bôkthersa bringen werden. Was habt Ihr zu sagen?«
Seine Kehle war trocken, seine Stimme rau wie die einer Krähe. Dennoch stellte er sich seinen Anklägern voller Entschlossenheit. »Ich wurde von meinem Clan getrennt. Ihr kennt mich nun als Seregil von Rhíminee, den Verbannten, und als Verbannter und Diener Klias von Rhíminee habe ich gehandelt. Nichts, was ich getan habe, kann Schande über die Bôkthersa bringen.
Als Verbannter habe ich alles getan, was Ihr verlangt habt, und alle Schande auf mein eigenes Haupt geladen. Ich kam freiwillig hierher zurück, um mich dem Iia’sidra zu stellen und die Verantwortung für meine Handlungsweise zu übernehmen. Ich habe das Teth’sag gebrochen, Ehrwürdiger, doch nicht mit böser Absicht.«
Brythir starrte ihn einen Augenblick lang an, während rundherum leises Geflüster aufklang. Was, so fragte er sich, hatte diese neuerliche Aufregung ausgelöst: sein Schuldanerkenntnis oder die Tatsache, dass er in jeder Hinsicht gegen die rituelle Vorgehensweise verstoßen hatte?
»Spricht jemand für diesen Mann?« fragte Brythir die Anwesenden im Saal.
»Der Verbannte hat sich mir in Gedre freiwillig ergeben«, rief Riagil í Molan.
Eine Pause trat ein, und Seregil hörte Unruhe unter den Skalanern. Adzriel beugte sich über Klias Sänfte. Dann richtete sie sich wieder auf, um Klias Worte weiterzugeben. »Klia ä Idrilain sagt, dass Seregil und seine beiden Begleiter Teth’sag um ihretwillen gebrochen haben. Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Korathan zu treffen und ihn über ihren Zustand und die wirren Umstände um Torsins Tod zu informieren. Königin Phoria hingegen weiß bisher nicht, dass Klia solchermaßen einen Verstoß gegen Teth’sag ausgelöst hat.«
Bisher? Seregil fühlte, wie seine Augen sich weiteten, und er wusste, dass es nicht nur ihm in diesem Moment so erging. Zufällig blickte er in Ulans Richtung und stellte fest, dass der Mann ihn mit einem wissenden Lächeln betrachtete, beinahe, als teilten sie ein Geheimnis, und vielleicht taten sie das sogar, wie Seregil mit einigem Unbehagen erkannte. Der gerissene alte Fuchs brauchte vermutlich keine plenimaranischen Spione, um zu ahnen, wie Korathans ursprüngliche Befehle ausgesehen hatten.
Adzriel fuhr fort, noch immer in Klias Namen. »Seregils und Alecs Entscheidung, ihr Leben ein zweites Mal zu riskieren, um die Namen der Virésse und der Haman rein zu waschen, fiel aus freien Stücken. Klia wusste nichts über diese Geschichte, bis die beiden gestern zurückkehrten.
Lasst auch Rhaish í Arlisandins Tod für den Beschuldigten sprechen. Zwar hat Seregil Teth’sag gebrochen, doch er hat auch die Wahrheit ans Licht gebracht. Wollt Ihr ihm dafür sein Leben nehmen?«
Korathan erhob sich. »Seregil von Rhíminee hat Skala viele Jahre gut und ehrbar gedient. Um seiner Dienste willen bitte ich Euch im Namen der Königin Phoria, sein Leben zu verschonen.«
Ich frage mich, was deine Schwester davon halten wird, sollte sie je davon erfahren, dachte Seregil.
»Auch wir sprechen für diesen Mann«, ertönte eine andere Stimme, und alle Augen richteten sich auf den Rhui’auros, der in diesem Moment in den Kreis trat.
»Elesarit, angesehen wie Ihr und die Euren sein mögt, wisst Ihr doch, dass die Rhui’auros nicht vor dem Iia’sidra sprechen«, wandte Brythir ein.
»Wir sprachen für Seregil í Korit, als zum ersten Mal über ihn gerichtet wurde, und wir werden es jetzt wieder tun«, konterte Elesarit. »Er trägt das Mal. Der Wille Auras hat seinen Leib gezeichnet, für jeden deutlich erkennbar.«
»Spricht noch jemand für diesen Mann?«, fragte Brythir.
»Ich«, erklärte eine tiefe, ernste Stimme hinter Seregil, und er wäre beinahe umgefallen, als er sich nach Ulan í Sathil umsah.
»Ob es seine Absicht war oder nicht, Seregil hat bewiesen, dass die Schande des Mordes nicht auf meinem Clan liegt. Das Gleiche hat er für die Haman getan, die zu lieben er keine Veranlassung hat. Ein Mann ohne Atui hätte dieses Wissen ebenso gut für sich behalten können.«
Später war sicher noch Zeit genug, herauszufinden, welchen Preis diese Unterstützung hatte; für
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