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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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mich ihr allein stellen.«
    »Schwört Ihr das im Lichte Auras?«, fragte Seregil.
    »Ja. Wie könnte ich irgendjemanden bitten, an dieser Entehrung teilzuhaben, gleich wie sehr ich mich danach sehne?« Er streckte Seregil eine Hand entgegen, und dieser ergriff sie und ging vor dem Sterbenden auf die Knie.
    »Werdet Ihr sie überzeugen?«, flüsterte Rhaish am Ende seiner Kräfte. »Lasst die Akhendi durch meinen Tod von jeder Sünde lossprechen und mich die Schande mit ins Grab nehmen.«
    »Das werde ich, Khirnari«, erwiderte Seregil sanft. Die Finger des Mannes fühlten sich schon eiskalt an. Seregil beugte sich vor und sprach schnell: »Ich hatte Recht, nicht wahr? Klias Vergiftung war ein Unfall.«
    Rhaish nickte. »Ich wollte auch den Haman kein Leid zufügen. Dummes Mädchen – Talía. Dabei sollte ich …« Er würgte. Dann atmete er rasselnd ein. Das magische Licht in seiner Hand wurde schwächer. »Ich sollte mich freuen, Ulan, den alten Ränkeschmied, ein einziges Mal bei seinem eigenen Spiel geschlagen zu haben. Aura vergib …«
    Gallenflüssigkeit sprudelte aus dem Mund des alten Mannes hervor und hinterließ im Mondschein Flecken auf seiner schwarzen Robe. Er zitterte heftig und sank tiefer in seinen Sessel, und das magische Licht verlosch.
    Seregil fühlte das flüchtige Prickeln des entweichenden Khi, als die kühle Hand unter seinen Fingern erschlaffte. »Armer alter Narr.« Die Stille im Garten schien sich zu etwas Unheil verkündendem zu verdichten, und er senkte seine Stimme und flüsterte nurmehr vorsichtig. »Er hatte zu viel Atui, um erfolgreich zu morden.«
    »Atui?«, murmelte Alec. »Nach allem, was er getan hat?«
    »Ich entschuldige ihn nicht, aber ich verstehe ihn.«
    Alec zuckte die Achseln und griff nach dem Armband. »Wenigstens hat er uns gegeben, was wir brauchen.«
    »Nein, nicht berühren. Das alles hier …«, er deutete mit einer ausholenden Bewegung auf das Armband, die Tonkrüge, den abgelegten Sen’gai. »Das ist so gut wie ein Geständnis. Dafür brauchen sie uns nicht mehr. Komm, lass uns zurückkehren, ehe wir vermisst werden.«
    Doch Alec blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf den erschlafften Leib des Toten herab. Seregil konnte sein Gesicht nicht erkennen, doch er hörte das Zittern in seiner Stimme, als er sagte: »Das könntest du sein, wenn Nazien sich durchsetzen kann.«
    »Ich werde nicht weglaufen, Alec.« Ein fatalistisches Lächeln zerrte an seinen Mundwinkeln. »Zumindest nicht, solange ich nicht mit Gewissheit weiß, dass mir keine andere Wahl bleibt.«
    Alec schwieg, und sie eilten zurück in die Tupa der Bôkthersa, doch Seregil fühlte die Furcht seines Freundes wie eine eisige Klinge auf seiner Haut. Er wollte ihn berühren, wollte ihm Trost spenden, aber er hatte nichts zu geben, angetrieben allein von der hartnäckigen Entschlossenheit, die er im Gebirge entwickelt hatte.
    Er würde nicht weglaufen.
    In der Tupa der Bôkthersa blieben sie vor dem Gästehaus stehen. Seregil suchte nach den passenden Worten, aber Alec kam ihm zuvor, packte ihn im Nacken und presste seine Stirn an die Seregils. Seregil zog ihn an sich und kämpfte gegen die Begierde seiner steifen Glieder, die behagliche Wärme und den Duft seines Liebhabers zu kosten. »Sie werden mich nicht töten, Alec«, flüsterte er in das weiche Haar unter seinen Lippen.
    »Aber sie könnten es.« Keine Tränen, nur Trübsal.
    »Aber sie werden nicht.« Seregil legte seine verletzte Hand an die Wange seines Freundes und ließ ihn die Reihe verschorfter Wunden fühlen. »Sie werden mich nicht töten.«
    Alec schüttelte an der Schulter Seregils heftig den Kopf, ehe er sich von ihm löste und die Stallwand hinaufkletterte, ohne sich noch einmal umzusehen.

 
55
Das Urteil
     
     
    Zurück in seinem einsamen Gemach, entzündete Alec sämtliche Lampen, als könnte das Licht die Schatten seiner eigenen trüben Gedanken vertreiben.
    Nur nicht an diese erschlaffte Gestalt denken. Nicht an die zwei Schalen denken.
    Gefangen zwischen Furcht und Zorn holte er zwei kleine Reisetaschen hervor, um sich auf eine rasche Flucht vorzubereiten, sollte das die einzige Möglichkeit sein, Seregil daran zu hindern, sich Hals über Kopf ins Verderben zu stürzen. Wieder und wieder ging er hinaus auf den Balkon, doch das dunkle Fenster im Zimmer seines Freundes gab nichts preis.
    Was denkt er sich nur, grollte er im Stillen, während er ruhelos durch das Zimmer wanderte.
    Seine eigenen Hoffnungen und Illusionen

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