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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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sie auf andere Gedanken zu bringen. Sie musste sich auch eingestehen, dass sie ihn aus der Ferne vermisst hatte. Bisher war noch keine Zeit gewesen, sich über die Stärke des Vermissens Gedanken zu machen. Hatte ihr der Freund Wolf gefehlt oder hatte sie sich nach ihm gesehnt? Sie konnte es nicht sagen, sie wusste nur, dass sie sich in seiner Gegenwart wohl und geborgen fühlte.
    Aber mit der Erholung schien es nun wieder vorbei zu sein. Die eine Recherche hatte sich zerschlagen, einneuer Toter war hinzugekommen, der Wolfs Aufmerksamkeit einforderte. Vielmehr war es Peter Kruse gewesen, der seinen Kollegen gebeten hatte, ihm Unterstützung zu leisten. Sie seufzte innerlich. Da konnte man nichts machen.
    „Lass uns wenigstens auf unseren einzigen Abend an der See anstoßen“, sagte Wolf ein wenig wehmütig. Sie hatten sich den restlichen Wein vom Essen mit aufs Zimmer genommen und trugen bereits ihre Schlafanzüge. „Es tut mir wirklich leid, Moni, aber ich kann Peter nicht im Stich lassen. Er scheint irgendwie Probleme mit dem neuen Kollegen zu haben.“
    „Dafür schätze ich dich doch, Wolf, dass du für deine Freunde da bist. Wir holen das nach, wie du schon sagtest. Ich bestehe dann aber auf mindestens eine Woche mit leckeren Fischgerichten.“
    „Hand drauf!“, sagte Hetzer und schlug ein. „Prost Moni!“
    „Prost!“
    Als Moni später in der Nacht wach wurde, fühlte sie, dass Wolf seinen Arm um sie gelegt hatte und selig schlief. Die Dunkelheit und das Unbewusste des Schlafs waren ein gutes Versteck für zwei Menschen, die sich nahe sein, aber es sich nicht eingestehen wollten.

Marianne
    Es war dunkel geworden. Marianne lauschte nach draußen. Sie lebte in ihrer eigenen Welt und war eins mit der Natur.
    Ihren Tagesrhythmus hatte sie ganz auf die Jahreszeiten abgestimmt. Im Winter schlief sie lange, im Sommer kurz, ganz wie es die Lichtverhältnisse bestimmten.
    Ihre Farben stellte sie zum Teil aus Erde, Pflanzen oder roten Läusen her. Gesichter modellierte sie aus Ton oder Pappmachee, andere Dinge, zum Beispiel die Gliedmaßen, wurden aus Holz geschnitzt.
    Vielleicht konnte man sagen, dass bei Marianne Genie und Wahnsinn dicht beieinander lagen. In ihrer kreativen Intelligenz schnappte sie manchmal über. Es kam zu einer Verschmelzung von Fantasie und Realität.
    So hatte sie damals, nachdem Sophie fort war, ganz merkwürdige Dinge erzählt, als sie von den Beamten des LKA befragt worden war. Das kleine Mädchen sei in einem ihrer Bilder verschwunden, hatte sie behauptet. Aber es hieße in Wahrheit Marie. Und dass sie dort in der anderen Welt ein viel schöneres Leben hätte. Ein anderes Mal gab sie zu Protokoll, dass ihre Enkelin davongeflogen sei, begleitet von Schwänen.
    Thorsten Büthe und seine Kollegin Marga Blume, eine renommierte Heilpraktikerin und Psychologin, hatten zunächst geglaubt, dass sich hinter den Aussagen möglicherweise reale Anteile verbergen könnten. Als Marianne jedoch zum Besten gab, dass das Kind den Froschkönig hatte besuchen wollen, nahmen sievon dieser Vermutung Abstand. Die alte Dame mit dem langen, grauen Haar konnte ihnen nicht weiterhelfen.

Detlef
    So ganz hartgesotten war Detlef nicht. Wenigstens nicht, wenn es die medizinischen Angelegenheiten anging, die nach dem Tod eines Menschen untersucht wurden. Er reagierte auch ganz extrem auf Gerüche, und die waren in der Rechtsmedizin selten von angenehmer Art.
    Das hatte nun dazu geführt, dass er sich bereits seit halb vier morgens in seinem Bett herumwälzte, nachdem er aus einem Albtraum aufgewacht war. Außerdem ärgerte er sich über seinen neuen Kollegen Kruse, der irgendein Problem mit ihm hatte, was er sich wiederum nicht erklären konnte. Sie kannten sich kaum und waren auch nicht aneinandergeraten. Trotzdem war Kruse auf seltsame Art abweisend. Er hatte auch den Eindruck, er gucke ihn schräg von der Seite an. Dann diese Hiwi-Jobs. Dabei war er genauso Oberkommissar wie Kruse. Detlef drehte sich auf den Rücken.
    Es schüttelte ihn. Die Sektion war ihm wieder eingefallen. Zum Glück war der Tote frisch und stank noch nicht. Trotzdem würden ihm die Geräusche nicht erspart bleiben. Die Säge sang sich in sein Gehirn, und er verfluchte seine Gedanken. Es gab Dinge, die man nie vergaß. Sie hatten sich eingebrannt. Das konnte ein Schmerz sein, etwas, das man gesehen oder gehört hatte und natürlich der Geruch der Verwesung, den er sofort in der Nase hatte, wann immer er daran dachte. Er atmete tief durch,

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