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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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waren keine Kleidungsstücke der Kleinen gefunden worden. Niemand hatte etwas gesehen. Der Erdboden hatte sie verschluckt. So kam es ihm vor. Das war natürlich Quatsch. Irgendwann würde sich etwas finden,doch der Zeitfaktor spielte eine große Rolle. Sie war schon zu lange fort. Es war unwahrscheinlich, dass man ein Mädchen so lange irgendwo verstecken konnte, ohne dass es auffiel oder zu lästig wurde. Büthe glaubte nicht daran, dass sie noch lebte, aber er wollte sich das nicht bewusst machen, denn solange es keine eindeutigen Beweise für ihren Tod gab, musste sie für ihn als lebendig gelten. Das war schwer.
    Gelegentlich fuhr er bei der Mutter vorbei. Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie litt. Inzwischen war sie hager geworden, die Augen lagen in tiefen Höhlen. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
    Der Vater hatte sich in seine Arbeit vergraben. Männer gingen anders mit dem Schmerz um. Er hatte auch bemerkt, dass sich die Eheleute voneinander entfernt hatten. Die Extremsituation zeigte das wahre Bild einer zwischenmenschlichen Beziehung. War eine Ehe innig und vertrauten sich die Partner, so hielten sie sich im Leid aneinander fest. Wenn es jedoch schon einen Spalt zwischen Mann und Frau gab, wurde er tiefer, denn die Verbindung war zerrissen. Sie erreichten sich nicht. Jeder litt seinen eigenen Schmerz.
    Das war auch bei den Görlitzens so. Die Psychologin hatte herausgefunden, dass Verena lange Zeit von Justus nicht schwanger geworden war. Das hatte die Beziehung anfangs stark belastet. Der Fokus lag bei Frau Görlitz nur noch auf der nicht zustandegekommenen Mutterschaft, worunter Herrn Görlitz’ Selbstsicherheit und seine Überzeugung, ein ganzer Mann zu sein, gelitten hatten. Alles war versucht worden, eine Insemination des Spermienkonzentrats, das Einsetzen einer künstlich befruchteten Eizelle, doch nichts hatte geholfen, bis sie es gänzlich aufgegeben und alle Versuche abgebrochen hatten.
    Aus der Resignation heraus war Sophie gezeugt worden – mit einem Gendefekt. Doch das hatte sich erst später herausgestellt. Verena war damals aufgegangen in ihrer Mutterrolle, an die sie schon nicht mehr geglaubt hatte. Es war für Justus eine reine Freude gewesen, seine Verena endlich schwanger und glücklich zu sehen. Die Wochen des werdenden Lebens waren harmonisch und voller Erwartung gewesen. Doch nach der Geburt hatte sich Verena gänzlich Sophie zugewandt, die viel geweint und ihre ganze Aufmerksamkeit gefordert hatte. Der Erzeuger war nur noch Versorger und als Ehemann überflüssig geworden. Das Bett teilten die Eheleute nur noch zum Schlafen, wenn Verena nicht bei Sophie im Zimmer geblieben war, die ohne ihre Mutter niemals allein zur Ruhe gefunden hätte.
    Trotzdem blieb die Kleine das einzig verbindende Glied zwischen den Eltern. Jetzt, wo sie fort war, war das Familiengerüst zerbrochen. Man stand vor den Scherben einer längst gescheiterten Beziehung, von der man dies nicht hatte wahrhaben wollen.
    In Scherben lag die Uhr wenigstens nicht, nur der hintere Deckel hatte sich gelöst und die Batterie war herausgefallen. Hauptkommissar Büthe ließ die Einzelteile in eine durchsichtige Plastiktüte gleiten und legte sie auf seinen Schreibtisch. Es war spät geworden. Seine Gedanken waren mit ihm davongaloppiert. Als er vom Stuhl aufstand, fiel sein Blick nochmals auf das Zifferblatt der scheinbar nutzlosen Uhr. Es konnte sein, dass er sich vielleicht doch noch nicht so ganz auf dem Holzweg befand.

Moni
    Dass sie nun doch schon wieder abreisen mussten, fand Moni schade. Sie war immer noch ein bisschen traurig, obwohl Wolf ihr versprochen hatte, dass sie bald wieder hierherkommen würden. Es wäre so schön gewesen, noch ein bisschen auszuspannen, selbst wenn sie das Bett mit Wolf teilen musste.
    Sie schmunzelte.
    Wenn sie darüber nachdachte, musste sie sich eingestehen, dass sie das gar nicht so schlimm fand. Die letzten Wochen bei ihrer Schwester waren zermürbend und anstrengend gewesen. Sie hatte sich so alleingelassen gefühlt, als sich das Bewusstsein der Älteren getrübt hatte. Auch nach ihrem Tod war sie noch oftmals nachts aufgeschreckt, hatte diese Bilder und Empfindungen vor Augen, die sie lieber vergessen wollte. Die bläuliche Blässe der Haut, deren Kälte, später das wächserne Aussehen und der Schock, als der Arzt die verstorbene Schwester untersuchte und dabei umdrehte. Sie war schon ganz steif. Das alles hing ihr nach und ließ sie nicht los.
    Doch Wolf schaffte es,

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