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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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und Teil von Todtenrode waren. – Also Fantasie bei ihren Ortsnamen haben sie, das muss man ihnen lassen. – Alte Erzgänge sollen noch durch den Ramberg von Siebenlehen bis Altenbrunn führen. Einer übrigens direkt in den Kyffhäuser zu, na, du weißt schon wem.«
    »Barbarossa?«
    »Jep. 1867 wurde die letzte Hütte geschlossen. Die Bevölkerung verarmte und zog weg. Erster Aufschwung erst nach der Wende mit Tourismus. Erwähnenswert wäre das Gasthaus zum Schwarzen Hirschen.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Ist sonst noch was erwähnenswert?«
    Valerie ließ das Handy zurück in ihre Anoraktasche gleiten. »Nein. Da möchte ich nicht tot überm Zaun hängen.«

Vier
    Es schneite. In Halberstadt hatte es begonnen, und je länger der Bus sich durch die Nacht und über schneeverwehte gewundene Straßen quälte, desto dichter fielen die Flocken. Glücklicherweise arbeitete die Heizung auf Hochtouren. Die Scheiben waren beschlagen, und jedes Mal, wenn Nico ein Gucklock frei rieb, wuchs es in wenigen Minuten wieder zu. Es gab sowieso nichts zu sehen. Je höher sie kamen, desto einsamer wurde es. Die Scheinwerfer des Busses reichten gerade so weit, dass der Fahrer die nächsten Meter der Piste erkennen konnte. Ab und zu schnitten die Lichtkegel Bilder von tief hängenden Tannenzweigen aus der Dunkelheit, von schroffen Felswänden und uralten niedrigen Mauern – Schutz vor besonders gefährlichen Abgründen.
    Irgendwann erreichten sie eine Weggabelung und es ging wieder bergab. Außer Nico saß noch rund ein halbes Dutzend weiterer Fahrgäste im Bus. Sie dösten oder lasen im schummrigen Licht ein Buch oder eine Zeitung. Außer ihr hatte niemand eine Reisetasche dabei.
    Der Bus gewann an Fahrt. Nico hielt sich instinktiv an der Vorderlehne fest, denn bei diesen Wetterverhältnissen war es ein fast halsbrecherisches Tempo. Sie hielt den Blick auf den Boden geheftet. Jedes Mal, wenn der Fahrer eine Kurve mit Karacho nahm, hatte sie Angst, sie würden über die Leitplanke hinaus direkt in die Tiefe stürzen. Tatsächlich fiel einmal der Besen aus der Gepäckablage. Eine Frau in einem dicken Alpakamantel reichte ihn ihr mit einem merkwürdigen Blick zurück. Endlich wurde der Bus langsamer. Der Motor heulte noch einmal auf und eine erste Straßenlaterne leuchtete von ferne wie eine Verheißung von Ankunft und Wärme.
    »Altenbrunn«, schepperte es durch den Lautsprecher.
    Die wenigen Mitfahrer sammelten ihre Siebensachen ein. Nico wischte das Fenster wieder frei. Sie sah Fachwerkhäuser mit schwarz verharzten Balken, Türmchen und Giebeln. Hinter manchen Fenstern brannte Licht. Das sah wunderschön und gemütlich aus. Nico wünschte, sie würde in einem dieser Häuser erwartet.
    Der Bus hielt mit keuchenden Bremsen am Marktplatz.
    »Sankt Ritter!«
    Alle stiegen aus. Nur Nico blieb zurück. Der Motor erstarb mit einem Zittern, der Busfahrer drehte sich zu ihr um.
    »Und nu?«
    »Ich wollte nach Siebenlehen.«
    Der Fahrer brummte etwas vor sich hin und angelte nach seiner Winterjacke, die er hinter dem Sitz verstaut hatte.
    »Wie bitte?«
    »Geht nicht mehr«, sagte er. »Die Straße ist gesperrt. Tut mir leid, da müssen Sie wohl laufen, Frolleinchen.«
    Das Frolleinchen in Nico reagierte bestürzt.
    »Laufen?«
    »Jawoll. Fortbewegungsart. Einen Fuß vor den anderen. Sind nur zwei Kilometer. Aber der Bus schafft das nicht mehr. Endstation. Morgen früh um fünf kommen die Räumfahrzeuge, dann fahren wir auch Siebenlehen wieder an.«
    »Warum haben Sie mir das denn nicht gleich gesagt?«
    Der Fahrer wies auf das Schneegestöber. »Bin ich Petrus? Das kommt im Winter öfter vor. Was wollen Sie denn in Siebenlehen?«
    »Ich … ähm …« War es klug, einem Wildfremden zu sagen, was sie vorhatte? »Ich hab ein Zimmer im Schwarzen Hirschen.«
    »Und da holt Sie keiner hier ab? Die haben doch alle Schneeketten. Sehen Sie da oben das Haus?«
    Nico folgte seiner ausgestreckten Hand und drehte sich um.
    »Das ist der Brunner Jodlermeister. Die haben Zimmer. Da können Sie auch telefonieren.«
    »Danke. Ich hab ein Handy.«
    »Das ist hier nicht das gleiche. Also?«
    Nico nahm den Besen, hängte sich ihre Messenger-Bag quer über die Brust, angelte nach ihrer Tasche und stieg aus. Flaumiger, weicher Neuschnee lag knöchelhoch auf dem festgefrorenen Boden. Sie folgte den Fußspuren der anderen, die schon längst in alle Richtungen verschwunden waren. Der Busfahrer stieg aus, schlüpfte in seine Jacke und verschloss die Tür. Die

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