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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Hydraulik seufzte.
    »Gute Nacht!«, rief er ihr zu und stapfte in die Dunkelheit.
    »Gute Nacht«, murmelte Nico.
    Es war gerade mal sieben Uhr. Sie sah sich um. Hinter ihr stand ein Wartehäuschen. Sie stapfte darauf zu in der Hoffnung, einen Plan der näheren Umgebung zu finden. Es schien noch kälter geworden zu sein. Nicos Atem bildete weiße Wolken. Die Flocken verwandelten sich in Kristalle und der Schnee funkelte im Licht der einzigen Straßenlaterne wie Diamantenstaub.
    Tatsächlich war hinter dem Glas so etwas wie eine Wanderkarte angeheftet. Altenbrunn war kein rundes, sondern ein in die Länge gezogenes Dorf, das sich ans Ufer des Flüsschens Bode schmiegte. Die Straße führte in den Ort hinein und dann in Schlangenlinien weiter hinauf in die Berge. Die nächste Ansiedlung war Siebenlehen.
    Nico checkte ihr Handy. Ein Anruf ihrer Mutter, zwei von Valerie, eine SMS . Wahrscheinlich hatte sie während der Fahrt keinen Empfang gehabt. »Gut angekommen? Melde dich! Vallie«. Mit Handschuhen war es unmöglich, eine Antwort zu tippen. Nico ließ das Gerät zurück in die Tasche gleiten und trat noch einmal an den Plan, um sich zu orientieren. Ein rotes Kreuz markierte den Punkt, an dem sie stand. Wenn sie sich nach rechts drehte und der Straße folgte, würde sie über kurz oder lang direkt in Siebenlehen landen. Stramm marschiert eine knappe halbe Stunde. Sie schulterte ihre Tasche, packte den Besen und ging los.
    Innerhalb weniger Minuten hatte sie den Dorfrand hinter sich gelassen. Die Dunkelheit umschloss sie wie ein Tunnel. Kein Mond, keine Sterne waren durch die dichte Wolkendecke zu entdecken. Erst allmählich gewöhnten sich Nicos Augen an das wenige Licht, das der Schnee noch reflektierte. Die Straße verengte sich, wurde zu einem Weg, der kaum noch zwei Autos aneinander vorbeigelassen hätte, und ging bergauf. Riesige Tannen mit tief hängenden Zweigen standen eng beieinander. Der Wald rückte so nah an die letzten Streckenpfosten heran, dass er eine fast undurchdringliche Wand bildete. Nico legte einen Zahn zu. Ihr wurde warm unter der dicken Jacke. Die Tasche schien ihr Gewicht verdoppelt zu haben. Den Besen schleifte sie hinter sich her. Einmal blieb sie kurz stehen und schaute zurück. Die Straße hinunter nach Altenbrunn verschwand hinter einer sanften Biegung im Dickicht, vor ihr schlängelte sie sich weiter hinauf in die Dunkelheit. Kein Licht weit und breit.
    Nico holte ihr Handy heraus und stellte fest, dass sie schon wieder keinen Empfang hatte. Zwanzig Minuten war sie jetzt unterwegs. Siebenlehen konnte nicht mehr weit entfernt sein. Doch die Strecke zog sich. Es ging noch steiler hinauf. Mehrmals geriet sie ins Rutschen. Einmal konnte sie sich gerade noch an einem Tannenzweig festhalten, was zur Folge hatte, dass gefühlte zehn Tonnen Schnee auf sie herunterprasselten. Jeder Schritt wurde zu einer gewaltigen Anstrengung. Entweder war sie vom Weg abgekommen oder hier oben hatte man seit Tagen nicht mehr geräumt. Die halbe Stunde war längst verstrichen.
    Als sie ihr Handy noch einmal herausholte, zitterten ihre Hände so stark, dass es ihr hinunterfiel und sie ohne Handschuhe danach suchen musste. Als sie es endlich gefunden hatte, glaubte sie, ihre Finger wären erfroren. Eine knappe Stunde war sie nun schon unterwegs. Sie hätte längst in Siebenlehen sein müssen. Der Gedanke, dass sie in die Irre gelaufen war, ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Was sollte sie tun? Umkehren? Der Schnee reichte ihr fast bis zum Knie. Ihre Jeans war schon völlig durchnässt, und langsam, ganz langsam keimte in Nico der Verdacht, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, ganz allein ins Ungewisse aufzubrechen.
    Das Motorengeräusch kam aus weiter Ferne. Erst klang es wie eine wütende Hummel, dann wurde es lauter. Jemand arbeitete sich gerade genauso wie sie von Altenbrunn nach Siebenlehen durch. Mit dem Unterschied, dass dieser Jemand einen Jeep oder etwas ähnlich Kraftvolles über den fast unpassierbaren Weg nach oben quälte. Immer wieder jaulte der Motor auf. Nico blieb keuchend stehen. Sie sah Scheinwerfer durch die Baumstämme blitzen, verschleiert von dichter fallenden Flocken. Sie blieb in der Mitte des Weges stehen, ließ Besen und Tasche fallen und wartete.
    Der Wagen pflügte sich um die Ecke und hielt direkt auf sie zu. Nico hob die Arme und winkte, aber der Fahrer schien sie nicht zu sehen.
    »Hallo!«, schrie sie. Aber wie sollte er sie hören? Im grellen Licht sah

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