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SchattenHaut

SchattenHaut

Titel: SchattenHaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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nichts mehr zu tun haben. Sie hatten ihn entehrt.
    Er selbst war reich geworden durch seine Operationen, die Menschen schöner oder anders machten als sie waren. Mit oder gegen deren Willen, falls sie denn einen hatten. Irgendwann hatte er der Medizin den Rücken gekehrt und das Hagenburger Schloss gekauft. Jetzt hatte er dort ein Auktionshaus eingerichtet, das seinen Reichtum noch vermehrte, weil er Menschen mit Geld kannte, die wiederum andere mit viel Geld mitbrachten. Mit An- und Verkauf hatte er wenig zu tun. Das hätte auch seinen Horizont überstiegen, aber er beschäftigte eine Handvoll Angestellte, die sich mit Antiquitäten auskannten und die Geschäfte für ihn abwickelten. Er repräsentierte und schaffte Kontakte. Das konnte er am besten. Stolzierte bunt gewandet wie ein eitler Pfau herum und sah immer noch gut aus. Trotz seiner siebzig Jahre und dem Bauch, den er sich angefressen hatte. Dass ihn kaum jemand mochte, merkte er gar nicht. Es wäre ihm auch egal gewesen.
    Eine Charaktereigenschaft, die Mutter nicht hatte. Sie war an ihm zerbrochen. Ihr ganzes bewusstes Leben war Schmerz gewesen. Seine Frauengeschichten, die Ignoranz und eine Form von Gewalt, die ihr gegenüber selten körperlich war. Er konnte sie mit den Augen bedrohen. Susi kannte diese Augen. Zuletzt hatte nur noch Verächtlichkeit in ihnen gelegen. Doch Mutter war auch an ihr kaputtgegangen. Weil sie nicht so war, wie sie hätte sein sollen.
    Irgendwann war der Tag gekommen, an dem sie den Kontakt zum Vater hatte abbrechen müssen. Ein Selbstschutz vor Beleidigungen. Sie wollte diese Nähe nicht mehr zulassen. Wollte die Sicherheit der Distanz und des Nichtwissens. Mutter hatte das nicht verstanden, sie hielt weiterhin zu ihm. Schuf sich ihre eigene Realität. Er war ihr Ein und Alles, ihr ganzes Leben hatte sie mit ihm verbracht. Sie hatte nichts anderes. Definierte sich nur über ihn. Und litt darunter, dass die Tochter nichts mehr mit dem Vater zu tun haben wollte. Mehr und mehr lebte sie in ihrer eigenen Welt, in der sich alles gegen sie verschworen hatte. Nur das kleine Mädchen nicht. Als sie begann, in der Öffentlichkeit auffällig zu werden, sorgte Vater dafür, dass sie auf der Station eines Kollegen im Wunstorfer Klinikum eine neue Bleibe fand. Dafür zahlte er gut. Zu diesem „Liebesdienst“ fühlte er sich nach über vierzig gemeinsamen Jahren immerhin verpflichtet. Aber es würde bis zu ihrer Grablegung der einzige bleiben, denn er besuchte sie nie.
    Als Vater das Schloss kaufte, bekam sie einen kurzen Brief von ihm. Er hatte ihr das elterliche Haus überschrieben, das Mutter damals geerbt hatte. Er wollte es nicht haben. Und setzte damit einen Schlussstrich unter den Lebensabschnitt mit Frau und Tochter.
    Es war ein komischer Moment gewesen, als Susi das Haus wieder betreten hatte. Gewohnt und doch vollkommen fremd. Es hatte sich fast nichts geändert, nur wenige Möbelstücke waren verschwunden. Es sah noch so aus, als würde im nächsten Moment die Tür aufgehen und Mutter käme aus dem Wohnzimmer oder Vater die Treppe herunter. Sie erinnerte sich vor allem an die Tage von „Winnetou” vor knapp dreißig Jahren. Als sie noch eine harmonische Familie waren. Wenigstens dachte sie das damals.
    Zuerst war sie unschlüssig, ob sie das Haus verkaufen sollte. Sie liebte und hasste es zugleich. Mehrmals kam sie her, setzte sich in verschiedene Räume. Schließlich kam sie zu dem Entschluss, es zu behalten und nur die Dinge zu ändern, die sie störten. Das waren wenige, denn Vater hatte die Möbel aus seinem Arbeitszimmer mitgenommen. Nur das Schlafzimmer ließ sie komplett räumen. Es stand jetzt leer. Ihr eigenes richtete sie sich in ihrem alten Mädchenzimmer ein. Von dort hatte sie einen Blick auf die Gärten und Bäume. Auf alte Bäume wie diese hier im Schlosspark, die sich jetzt so schwarz gegen den Himmel abhoben. Die den Naturgewalten widerstehen konnten. Wie sie selbst, und da war sie anders als ihre Mutter. Sie wehrte sich.

Nadjas Verhör
    So richtig frisch fühlte sich Hetzer nicht, als er zu Peter ins Auto stieg. Sie hatten abgemacht, dass er ihn gleich von zu Hause abholte.
    „Mensch, siehst du Scheiße aus. Hast du gesoffen?“, fragte Peter und zwinkerte Hetzer zu. „Oder anderweitig eine lange Nacht gehabt?“
    „Weder noch, aber danke für das Kompliment. Ich glaube, ich brüte was aus.“
    „Hoffentlich kein Küken!“, platzte es aus Kruse heraus, noch bevor ihm auffiel, dass das wegen Emil unpassend

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