SchattenHaut
draußen sehen konnte. Kruse musste den Scheibenwischer anstellen, damit er überhaupt noch etwas sehen konnte.
„Wenn das so weiterschneit, brauche ich Schneeketten, um nach Hause zu kommen. So ein Mist.“
„Ach, die streuen die steilen Straßen da hoch bestimmt“, wollte ihn Peter beruhigen.
„Weißt du, worüber ich gerade nachdenken muss?“
„Nee, wieso sollte ich. Du bist der mit dem zweiten Gesicht und träumst immer die Mordgeschichten.“
„Ich denke an das, was Seppi gesagt hat. Jetzt stell dir mal vor, so ein Mensch mit männlichen und weiblichen Genen verübt einen Mord, dann denken wir – je nachdem, welche DNA wir am Tatort gefunden haben –, es wäre ein Er oder eine Sie.“
„Mensch Hetzer, 1:125.000, da ist wohl die Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich groß. Und wenn ich jetzt nicht bald was zu essen kriege, dann hinterlasse ich DNA-Spuren auf dir. Hab ich einen Hunger. Was dagegen, wenn ich da vorne bei der Dönerbude anhalte?“
„Wenn’s schnell geht. Ich habe keine Lust zu erfrieren.“
„Wird schon kein Drei-Stunden-Döner!“, brummte Kruse vor sich hin und knallte die Tür. Wenn er Hunger hatte, wurde er ungenießbar.
Obwohl es nur fünf Minuten gedauert hatte, waren die Scheiben des Dienstwagens beschlagen. Der heiße Döner tat sein Übriges. Hetzer öffnete kurz die Tür.
„Mensch, mein Essen wird kalt. Mach doch die Klimaanlage an.“
Doch Hetzer stellte sich taub und summte ein Lied.
„Du kannst einem echt den Tag vermiesen“, meckerte Peter und ließ den Wagen an. Er konnte auch einhändig fahren. Dachte er wenigstens, bis ein Klecks weiß-roter Soße seinen Weg auf die Lederjacke fand.
„Kacke!“, fluchte er laut.
Und Hetzer hörte auf zu summen.
Er schmunzelte in sich hinein. Auf dem Präsidium würde der Döner schon seine Wirkung zeigen. Der Blutzuckerspiegel käme wieder auf ein erträgliches Niveau und selbst der Fleck wäre zu vernachlässigen. Er kannte Peter mittlerweile gut genug.
Nachdem er die Dönersoße abgewischt hatte, begann er sich zu beruhigen. Den letzten Rest verspeiste Kruse am Schreibtisch. Dann ließ er sich wohlig nach hinten in seinen Drehstuhl sinken und dozierte: „Leder braucht sowieso Fett!“
Es war schon nach drei und die Dämmerung setzte langsam ein. Da kam Claudia um die Ecke und legte Hetzer ein Blatt Papier auf den Tisch.
„Hier, Wolf, vermisste Person, männlich, 72 Jahre alt, bereits mehrere Tage abgängig. Ist aber jetzt erst aufgefallen.“
„Dank dir, Claudia!“
Sein Blick fiel auf den Text und dort auf den Namen des Vermissten. Ihm stockte der Atem. Ob es ein Verwandter von Mica war? Soweit er wusste, hatte sie keine Eltern mehr.
Eine mögliche Verbindung
Bei der langwierigen Durchsicht der Unterlagen und des Schriftverkehrs von Sabine Schreiber begannen sich Dickmann und Hofmann samt Team so langsam die Haare zu raufen. „Mein Gott, was sich in den Jahren so ansammelt. Vor allem bei einer Behörde. Ich glaube, es gibt nichts, was die nicht aufgeschrieben hat.“
„Das ist auch vielleicht gut so“, entgegnete Hofmann, „ich glaub’, ich hab hier was! Einen Brief an Josef Fraas aus dem Jahr 1979.“
„Unfassbar, das ist einunddreißig Jahre her!“
„Ist hier in einer Akte abgeheftet, die keiner betreuten Person zugeordnet ist. Es ist eher eine Sammlung wichtiger Briefe, teilweise noch mit Hand geschrieben. Ich lese mal einen Ausschnitt vor. Teilweise ist die Tinte verwischt:
…kann nach zahlreichen Gesprächen mit Ihnen und den Eltern durchaus dazu geraten werden, dass das Mädchen seinem Geschlecht gemäß… mit dem Hausarzt abzuklären…diese Entscheidung… hormonelle Gaben eine eindeutige Verbesserung… die Taufe des Mädchens eine… gewährleistet. Wir bitten Sie… Fürsprache… Papier zu bringen… Klinik und an… zu senden.“
„Hier haben wir eine erste Verbindung. Geht aus dem Schreiben hervor, um welches Mädchen es sich handelt?“
„Nein, es ist viel verwischt, aber ich habe außerdem den Eindruck, dass der Name absichtlich nicht erwähnt worden ist.“
„Warum haben die Hamelner Kollegen in den Unterlagen von Fraas nichts gefunden?“
„Keine Ahnung, vielleicht hat er es nach über dreißig Jahren nicht mehr aufbewahrt oder gleich vernichtet. Oder die Kollegen haben die Schriftstücke nicht als wichtig erkannt, weil Frau Schreiber da noch lebte.“
„Ja, dann fürchte ich, werden sie noch mal ranmüssen! Ich rufe jetzt mal Wolf an. Vielleicht bringt ihn das
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