SchattenHaut
war spontan der Appetit vergangen. Doch das Loch im Magen war noch da.
„Meint ihr, dass die anderen Spuren derselben DNA auch drapiert worden sind?“, überlegte Hetzer laut. „Wir haben nämlich erst seit dem Topf überhaupt DNA-Material gefunden und niemals auf den Toten. Das spricht doch dafür, dass da einer unglaublich sauber gearbeitet hat. Warum sollte er dann so dumm sein und immer deutlichere Spuren hinterlassen?“
„Vielleicht wird er unruhig? Weil wir ihm auf der Spur sind?“, warf Peter ein.
„Das glaube ich nun wieder nicht.“ Seppi rieb sich den großen, roten Bart. „Dann hätten wir auf Sabine Schreiber etwas gefunden. Irgendetwas. Wenigstens ein Fitzelchen. Aber auffällig war da, wie auf den anderen Leichen, dass da nichts war. Und an deiner Türklappe hing ein Stoffrest wie ein Zelt, der förmlich ins Auge sprang. Wenigstens, wenn man genau hinsah. Das passt doch ebenso wenig zusammen wie eine präparierte Axt, die der Täter in die Nähe des Ufers wirft, wenn es leicht möglich gewesen wäre, sie auf elf Meter zu versenken und damit nahezu unauffindbar zu machen. Oder er hätte sie wieder mitgenommen. Aber so? Ich glaube inzwischen auch, dass der Fingerabdruck am Topf absichtlich dort hinterlassen wurde.“
„Tja“, seufzte Hetzer, „und damit haben wir ein echtes Problem. Spuren, die wir finden wollen, haben wir nicht. Nur solche, die wir finden sollen. Und die sollen uns doch mit Sicherheit ablenken.“
„Oder er will endlich gefunden werden. Das kommt ja auch schon mal vor.“ Peter griff nach einem Butterspekulatius.
„Halt!“, rief Seppi, „du vernichtest meine Beweismittel.“
„Aber du hast doch gesagt, das ist von Mica.“
„Hab ich auch, aber sie sind zur Untersuchung hier, aus einem Altenheim. Da liegen einige der Bewohner im Krankenhaus. Und eine ältere Dame hat es nicht mehr geschafft.“
Peter zog seine Hand zurück und schüttelte sich.
„Ich werde Nadja mal das Rätsel aufgeben mit den zwei rechten Händen. Bin gespannt, ob sie’s rauskriegt. Und sie soll es dann auf jeden Fall mal überprüfen. Wir machen das aber hier im Labor. Du kannst deine Edelstahlplatte wieder mitnehmen.“
„War ja auch nur, um dich zu überzeugen, dass du der Sache auf diese Weise noch mal nachgehst. Ist mir schon klar, dass ihr das hier mit euren Mitteln untersuchen müsst.“
„Nix für ungut, Wolf. So, und jetzt sollte ich weitermachen, auch wenn es viel netter ist, mit euch zu plaudern. Wollt ihr Nadja und Mica noch ,Hallo‘ sagen? Sie sind hinten bei der Dominosteinleiche.“
„Jetzt nicht. Wir wollen nicht stören“, sagte Wolf, als er Kruses Blick sah. „Es ist auch nicht so, dass wir nichts zu tun hätten.“
„Denke ich mir. Na dann, alles Gute. Viel Glück bei der Suche nach dem Täter. Irgendwann muss er ja mal einen Fehler machen.“
„Hoffentlich ist bis dahin nicht noch jemand tot. Aber mir werden alle Vermisstenfälle im Umkreis von 100 Kilometern sofort gemeldet. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass er seine Opfer zuerst fängt und zum Neutrum macht. Apropos Neutrum. Gibt es echte Neutren und wenn ja, was für DNA-Spuren hinterlassen sie?“
„Neutren im Sinne von neutraler DNA-Spur gibt es nicht. Es gibt aber Menschen mit X0, XX, XY, XXY, XYY, XXX – vielleicht habe ich nicht alle Varianten im Kopf. Es gibt also nicht das Neutrale, aber eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen der Geschlechter, wobei es zu eng gefasst wäre zu sagen, dass es nur Männlein und Weiblein gibt. Der echte Hermaphrodit, der Penis, Scheide, Hoden, Eierstöcke und eine Gebärmutter hat, kann beides haben, kann sowohl XY- als auch XX-DNA haben. Eine Mosaik- beziehungsweise Mischform. Allerdings nur in zwanzig Prozent der Fälle. Wobei die Häufigkeit eines echten Hermaphroditen bei 1:25.000 liegt. Davon zwanzig Prozent – er kratzte sich an seinem wenig behaarten Schädel – da wären wir dann bei einer Wahrscheinlichkeit von 1:125.000. So, das war ein kleiner Ausflug in die Humangenetik. Wenn ihr Genaueres wissen wollt, muss ich mich erst schlaumachen oder ihr fragt die Damen da hinten bei der Seniorin.“
„Nein, vielen Dank, die Information reicht uns erst mal. Und wenn wir uns nicht mehr hören, frohe Weihnachten Seppi.“
„Euch auch!“
Draußen hatte es wieder zu schneien begonnen. Seit Anfang Dezember war der Winter ins Weserbergland zurückgekehrt. Das war schön anzusehen, solange man gemütlich vor dem Kaminofen sitzen und nach
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