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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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ließ die Körner herunterrollen. Er hörte, wie sie auf den Boden prasselten, hörte sogar, wie sie durch die Ritzen rollten, auf die Felsen trafen und schließlich ins Wasser fielen.
    Markus .
    Die Stimme kam von weit her. Der ängstliche Ruf einerFrau. Markus blickte auf und merkte, dass die Dunkelheit nicht mehr lückenlos war. Er sah einen Lichtstreifen vor sich, da, wo die Tür zum Gebetsgrab war. Der Streifen wuchs und schrumpfte im Rhythmus der Böen. Markus stand auf und schleppte sich zu der Tür, stieß sie auf, trat einen Schritt zurück.
    Das Meer rauschte, erstreckte sich bis an den Horizont. Es hauchte Markus durch das Rechteck der Tür an. Dazwischen lag der Uferstreifen, ganz und gar mit schwarzer Kohlenglut bedeckt. Das Meer war stahlgrau. Irgendwo dort in der Tiefe warteten sie, betrachteten das Schäumen der Wellen an der Oberfläche. Die Bewegung des Wassers spiegelte sich in ihren reglosen roten Augen.
    Markus trat zur Tür hinaus.
    Er war auf glühenden Schmerz gefasst, doch der blieb aus. Nur ein schwaches Gefühl an den Fußsohlen, weder kalt noch heiß. Markus ging ans Ufer, hielt den Blick auf einen fernen dunstigen Punkt gerichtet, wo sich Himmel und Meer vereinten.
    Auf halber Strecke hörte er, wie jemand seinen Namen sagte. Er blickte zu der Stelle hin, von der die Stimme kam.
    Ein Mann, vor einem schwarzen Stein kauernd, die Haare blutig und verfilzt über die blasse Stirn hängend. Die Vögel hatten seine Augen und seine Zunge gefressen. Neben ihm lag ein spitzer Stein, an dem geronnenes Blut haftete. Graue Haare flatterten im Wind. Markus blieb nicht stehen, doch als er an der Leiche vorbeiging, spürte er, wie sich eine Hand um seinen Arm schloss.
    Es reicht , sagte der Tote, ohne die Lippen zu bewegen. Lass uns gehen .
    Markus riss sich los und ging weiter. Am Wasser bückte er sich und streckte die Hand aus, legte sie auf den Grund,von dem sich gerade eine Welle zurückgezogen hatte, und wartete, bis die nächste Welle seine Knöchel umschäumte. Unter Wasser sah die Hand anders aus, blasser und älter. Markus richtete sich auf und watete entschlossen vorwärts, obwohl sein Herz raste und alle Muskeln sich sträubten. Als ihm das Wasser an die Achseln reichte, begann er zu schwimmen.
    Zuerst wollten die Wellen ihn ans Ufer zurücktragen, aber nachdem er weit genug geschwommen war, merkte er, dass die Bewegung sich umgekehrt hatte. Die Strömung zog ihn auf das offene Meer hinaus.
    Wieder hörte Markus, wie jemand seinen Namen rief. Er blickte über die Schulter und sah eine Frau am Ufer stehen. Markus erkannte sie, wusste, wie besorgt Ina war. Doch die Strömung zog ihn immer schneller hinaus. Die Insel wurde kleiner, bis die Frau, die Grabhügel und die Kapelle und das Haus nicht mehr zu sehen waren. Nur ein schwindender Punkt inmitten der Leere.
    Da wurde Markus plötzlich von Panik erfasst. Er durfte nicht alles zurücklassen, fortgeschwemmt werden, ohne irgendetwas, an das er sich klammern konnte. Das Meer erstreckte sich zu allen Seiten ins Unendliche, ohne Schiffe, ohne Vögel, leer bis zum Horizont.
    Markus begann, zur Insel zurückzuschwimmen. Er kämpfte gegen die Strömung, obwohl seine erschöpften Glieder aufgeben wollten. Langsam wurde der Punkt, die Insel größer.
    Da packte ihn etwas am Knöchel. Eine kalte schleimige Berührung. Markus kraulte mit den Armen und trat mit den Beinen, doch alle Anstrengungen waren vergeblich. Der Griff um seinen Knöchel lockerte sich nicht, er wurde langsam und unausweichlich unter Wasser gezogen. DieUmrisse der Insel vor dem grenzenlosen Himmel tauchten noch einmal in seinem Blickfeld auf. Dann nur noch von Bläschen durchsetztes Zwielicht.
    Markus gab den Widerstand auf, ließ seinen Körper in die Tiefe sinken. Er blickte nach unten und sah Jakob Mörts Gesicht. Ein Auge schaute nach oben. Das andere war voller Finsternis. Der zahnlose Greisenmund war verzerrt.
    Sie versanken, bis der Griff um den Knöchel sich löste. Jakob erhob sich. Sein Gesicht war plötzlich schwarz und formlos, Markus erkannte es nicht mehr. Die unbekannte Gestalt nahm Markus’ Kopf zwischen die Hände und sagte:
    Idiot .
    Der Kuss schmeckte nach Vanille und Haselnuss. Und nach der Kälte, hinter der alle Weichheit der Welt lag.

Informationen zum Buch
    Es scheint prächtig zu laufen in Jennis und Aarons Ehe. Aaron ist ein erfolgreicher Politiker, die gut zwanzig Jahre jüngere Jenni hat in ihrem aufgeweckten kleinen Sohn Miro ihre Lebensaufgabe gefunden.

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